Corona: Frankfurter Virologin Ciesek warnt vor Tempo bei Lockerungen
Frankfurter Rundschau
Bund und Länder diskutieren über die neue Corona-Maßnahmen. Virologin Sandra Ciesek hält erste Lockerungen für vertretbar – aber warnt vor dem Tempo.
Frankfurt – Ein Leben ohne Corona-Maßnahmen ist für viele kaum noch vorstellbar. Familienfeiern, Sportveranstaltungen, die tägliche Arbeit im Büro – das alles ist nur noch mit Einschränkungen oder garnicht mehr möglich. Am Mittwoch (16.02.22) diskutieren Bund und Länder nun über mögliche Lockerungen, die diese Bereiche betreffen. Die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek ist der Meinung, dass einige Corona-Maßnahmen, nach einer Prüfung auf ihre Notwendigkeit, behutsam gelockert werden sollten, sagte sie in dem NDR-Podcast „Das Coronavirus-Update“.
Mit Blick auf die stagnierenden Inzidenzzahlen und die verhältnismäßige geringe Hospitalisierungsrate – mit Omikron kämen weniger Menschen auf die Intensivstationen als mit Delta – hält Ciesek erste Lockerungen der Corona-Maßnahmen für vertretbar: „Man darf daher natürlich nicht leichtfertig Maßnahmen aufrechterhalten, wenn sie nicht unbedingt nötig sind.“
Die Abschaffung der 2G-Regel im hessischen Einzelhandel und die stattdessen nun geltende FFP2-Maskenpflicht sei ein gutes Beispiel für eine „sinnvolle Maßnamensänderung“. Mit den Masken ließe sich die Ansteckung, die nach Forschungsstand auch bei Geimpften möglich ist, ausreichend regulieren. Außerdem sei für die Virologin „gar nicht klar“, ob Omikron überhaupt ansteckender ist als Delta, wie sie kürzlich von der Deutschen Presse-Agentur zitiert wurde.
Ciesek rief aber auch zu Behutsamkeit auf, schließlich seien die sehr hohe Inzidenz nicht zu unterschätzen: „Wir sind ja immer noch bei einer Inzidenz von ungefähr 1.500 pro 100.000 Einwohnern. Und wenn man jetzt von heute auf morgen alle Maßnahmen fallen lassen würde, würde es deutlich länger dauern, bis die Inzidenzen wieder fallen. Man würde riskieren, dass ein Plateau entsteht oder sogar wieder ein Anstieg droht.“ Vor allem für Menschen ohne ausreichenden Immunschutz und Kinder unter fünf Jahren, für die es noch keine Impfung gebe, sei das gefährlich.
Mit Blick auf das Bund-Länder-Treffen, bei dem über private Treffen mit bis zu 20 Personen, Großveranstaltungen mit bis zu 25.000 Zuschauern und ein Ende der Homeoffice-Pflicht diskutiert wird, plädiert Ciesek auf die Verantwortung, die die Politik gegenüber allen Bürgern habe. „Die Politik muss sich die unterschiedlichen Interessen anhören, berücksichtigen und schließlich abwägen“, sagte die Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt. Sie wisse aber auch, dass das eine schwierige Aufgabe ist. „Aus rein medizinischer Sicht ist es viel einfacher. Da wäre es natürlich besser, wir würden noch ein wenig durchhalten, um die Zahlen zu reduzieren.“