Boris Johnsons Lockdown-Partys werden zum Kriminalfall
Frankfurter Rundschau
Die Lockdown-Partys in Downing Street avancieren zum Fall für Scotland Yard. Die Polizei ermittelt nun wegen der Feiern im Amtssitz des britischen Premiers.
London - Wochenlang wich die Londoner Kriminalistik allem Drängen aus. Nun nimmt sie doch Ermittlungen auf in der Affäre um Lockdown-Partys in Downing Street, wie Polizeipräsidentin Cressida Dick am Dienstag bestätigte. Zwar würden minderschwere Gesetzesverstöße sonst nicht rückwirkend untersucht. Hier aber bestehe die Gefahr, dass „die Legitimität des Rechtsstaates unterminiert“ worden sei, erläuterte Dick dem Stadtrat. Premier Boris Johnson begrüßte die Ermittlungen und beteuerte erneut: „Ich habe gegen keinerlei Gesetze verstoßen.“
Die britischen Polizeibehörden genießen operationelle Unabhängigkeit von der jeweils zuständigen Regierung. In Scotland Yards Fall ist zudem die Aufsicht zwischen der konservativen Innenministerin Priti Patel und Labour-Bürgermeister Sadiq Khan aufgeteilt, so dass parteipolitische Einflussnahme schwierig ist. Während Patel am Dienstag schwieg, zeigte sich Khan befriedigt: „Niemand steht über dem Gesetz. Es kann nicht unterschiedliche Regeln für die Regierung einerseits und für alle anderen andererseits geben.“
Dick verwies auf die enge Zusammenarbeit einer Spezialabteilung unter ihrer Stellvertreterin Jane Connors mit dem Kabinettsbüro in der Downing Street, dem administrativen Herz der Regierung. Dort geht mehreren Wochen die Staatssekretärin Sue Gray jenen Verstößen gegen Corona-Regeln nach, die beinahe täglich die Schlagzeilen bestimmen. Die Kripo richte ihre Aufmerksamkeit nur auf einen Teil der 15 Lockdown-Partys, erläuterte Dick. Dabei ließ sie offen, ob dazu auch jene gehören, an denen der Premier teilnahm.
Zu diesen gehört naturgemäß ein Event, über das am Montagabend zunächst der Sender ITV berichtete: An Johnsons 56. Geburtstag im Juni 2020 versammelten sich bis zu zwei Dutzend Mitarbeiter:innen sowie seine damalige Verlobte Carrie Symonds und deren Innenausstatterin im großen Kabinettssaal, um dem Premier zu gratulieren.
Nach dem obligatorischen „Happy Birthday“-Gesang und der Übergabe einer Torte sei man nach zehn Minuten auseinandergegangen, behauptete ein Offizieller. Das mag epidemiologisch gerade noch vertretbar gewesen sein, verstieß aber gegen damals geltende Regeln. Peinlicherweise hatte Johnson selbst in dieser Zeit Schulkinder für die Absage von deren Geburtstagspartys gelobt.