
Bidens Putin-Dilemma
Die Welt
Joe Biden hat ein Problem: Er ist innenpolitisch schwach und kann sich nicht leisten, dass Putin stark erscheint. Aber die amerikanischen Bürger sind kriegsmüde – und an fernen Konflikten herzlich wenig interessiert. Ein Drahtseilakt, bei dem Europa das Nachsehen hat.
Vor einem halben Jahr waren es Joe Biden und Wladimir Putin, die sich in Genf persönlich berieten. Die Bilder aus der Bibliothek der Villa La Grange gingen um die Welt. Am Montag, bei winterlichen Temperaturen, trafen hier ihre Unterhändler zusammen: US-Vize-Außenministerin Wendy Sherman und ihr Moskauer Amtskollege Sergei Ryabkov samt Delegationen. Die Lage ist in diesen Tagen weit angespannter als im Juni vergangenen Jahres. Der Kreml lässt Soldaten an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren, stellt Maximalforderungen an die Nato und greift bei den blutigen Unruhen in Kasachstan auf Seiten des autoritären Regimes ein.
Für Joe Biden wird das zunehmend aggressive Auftreten Russlands zu einem delikaten Drahtseilakt: Einerseits stehen die USA fest an der Seite der bedrängten Ukraine. Jene Partnerschaft zählt zu den letzten wenigen gemeinsamen Haltungen der ansonsten zerstrittenen Kongress-Parteien. Hilfen für Kiew, auch militärischer Art, sollten also eigentlich für Washington eine Selbstverständlichkeit sein. Doch das amerikanische Volk ist kriegsmüde, mag keine neuen Interventionen, schon gar keine Entsendung von Militärgerät, geschweige denn Soldaten. Biden selbst betreibt diesen Rückzug von der militärpolitischen Weltbühne – zuletzt ziemlich ruckelig im Sommer 2021 aus Afghanistan.










