Armut und Würde
Frankfurter Rundschau
Die Forderung, sofort etwas draufzulegen auf die Sozialleistungen, ist richtig. Aber die Klagen haben auch eine riskante Seite: Die Betroffenen kommen darin vor allem als Opfer vor. Ein Kommentar.
Wenn Sozialverbände die Folgen der Inflation beklagen – wie jetzt wieder der Paritätische Gesamtverband –, können sie leider auf viele Beispiele verweisen: Menschen, die sich entscheiden müssen, ob sie die Maskenpflicht befolgen oder ihre Wohnung heizen; Familien, die nicht mehr kochen können, weil ihnen der Strom abgestellt wird; Arbeitslose, die mit drei Euro mehr Hartz IV unwürdig abgespeist werden.
Das alles muss gesagt werden, und auch die Forderung, sofort etwas draufzulegen auf die Sozialleistungen, ist richtig. Aber die Klagen haben auch eine riskante Seite: Die Betroffenen kommen darin vor allem als Opfer vor.
Wechseln wir also kurz die Perspektive und betrachten wir das Handeln dieser Menschen. Dann können wir sie nur dafür bewundern, dass die meisten von ihnen den berechtigten Frust nicht auf den Demos derjenigen herausschreien, die das Elitenversagen gern für ihre anti-demokratischen Ausbrüche nutzen. Schade nur, dass die Mehrheitsgesellschaft den am meisten Benachteiligten kaum alternative Angebote macht, gemeinsam aktiv für ihre Würde einzutreten.