Anklage wegen möglicher Beihilfe zum Massenmord: Ex-KZ-Sekretärin schweigt
Frankfurter Rundschau
Wegen ihrer möglichen Beihilfe zum 11.000-fachen Mord wird Irmgard F. angeklagt: Nach ihrer Flucht kann der Prozess gegen die ehemalige KZ-Sekretärin nun beginnen.
Itzehoe - Eines war Verteidiger Wolf Molkentin so wichtig, dass er es beim Prozessauftakt zuallererst loswerden wollte. Die Solidaritätsaufrufe „gewisser Kreise“ für die einstige KZ-Sekretärin Irmgard F. seien „ausdrücklich nicht im Sinne der Angeklagten“, sagte der Anwalt am Dienstag in seinem Opening Statement vor dem Landgericht in Itzehoe. „Sie leugnet nicht die Verbrechen der Schoah. Sie tritt lediglich dem Vorwurf entgegen, auch persönlich eine strafrechtliche Schuld auf sich geladen zu haben.“
Was Molkentin damit sagen wollte: Die 96-Jährige tauge nicht als Märtyrerin für die rechte Szene – auch wenn sie sich Ende September, als ihr Prozess eigentlich hatte beginnen sollen, per Taxi aus dem Pflegeheim davon- und kurzzeitig auf die Flucht gemacht hatte. Und auch wenn sie danach ankündigte, künftig genauso wenig vor Gericht erscheinen zu wollen.
Als die weiß gelockte Seniorin, mit Kopftuch, Sonnenbrille und FFP2-Maske unkenntlich gemacht für die Kameras, nun im Rollstuhl in den Verhandlungssaal geschoben wurde, trug sie deshalb eine elektronische Handfessel. Die Staatsanwaltschaft legt Irmgard F. Beihilfe zum Mord in mehr als 11.000 Fällen zur Last. Vom Juni 1943 bis April 1945 habe die Stenotypistin, damals noch keine 20 Jahre alt, im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig als Schreibkraft für den Lagerkommandanten Paul Werner Hoppe gearbeitet und seinen gesamten Schriftverkehr organisiert. „Damit hat sie die reibungslose Funktionstüchtigkeit des Lagers sichergestellt“, sagte Staatsanwältin Maxi Wantzen.