Abendessen nicht im Plauderton: Ukraines Präsident Selenskyj kommt nach Berlin
Frankfurter Rundschau
In der Ukraine erwartet man, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj in Berlin eine Entschädigung für das russisch-deutsche Pipelineprojekt Nord Stream 2 aushandelt.
Kiew/Berlin – Für Wolodymyr Selenskyj ist es kein Höflichkeitsbesuch. „Zum Glück spürt Europa bisher nicht die Bedrohungen, die der Bau von Nord Stream 2 mit sich bringt“, sagte der ukrainische Staatschef vergangene Woche auf einer Pressekonferenz in Vilnius zu seinem Termin mit Angela Merkel in Berlin. „Wenn Sie sich in Sicherheit fühlen, denken Sie an die Wirtschaft. Wenn bei Ihnen Krieg herrscht, denken Sie vor allem an Menschenleben.“ Am Montag (12.07.2021) wird Selenskyj in der deutschen Hauptstadt erwartet, zu einem Besuch, bei dem die gastgebende Seite die Politik scheinbar eher an den Rand schieben möchte. Um zwölf Uhr empfängt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seinen ukrainischen Kollegen, die Kanzlerin erwartet Selenskyj erst um 19 Uhr - zum Abendessen. Aber der Ukrainer wird die Tischgespräche kaum im Plauderton führen. Hauptdiskussionspunkt dürfte die kurz vor der Fertigstellung stehende russisch-deutsche Ostseepipeline sein. Merkel bezeichnet sie gern als „rein wirtschaftliches Projekt“, während man sie in der Ukraine als Sicherheitsrisiko betrachtet: Die Russen machen kein Hehl daraus, dass sie Nord Stream 2 bauen, um künftig kein Gas mehr durch das ukrainische Rohrleitungssystem nach Europa pumpen zu müssen. Kiew rechnet mit einem finanziellen Ausfall von drei Milliarden Dollar Transportgebühren. Aber vor allem fürchtet es neue militärische Angriffe Russlands, denen es bisher auch durch einen Transportstopp für das russische Gas Richtung Europa hätte begegnen können. „Alle dürften sich ruhiger fühlen, wenn Nordstream 2 erst gar nicht in Betrieb genommen wird“, sagte Außenminister Dmytro Kuleba unlängst während einer Tagung in Kiew.More Related News