2022 ist nicht 2015
Die Welt
Manche kritisieren, die Hilfsbereitschaft der Deutschen gegenüber den ukrainischen Flüchtlingen sei größer als 2015. Doch müssen wir allen Notleidenden dieselbe Aufmerksamkeit zukommen lassen – und können wir es überhaupt? Die Philosophie hat eine überraschende Antwort.
Der Beginn des Krieges war auch der Beginn einer überwältigenden Hilfsbereitschaft. Zugleich aber begannen damit die Vorwürfe. Warum, fragten sich Misstrauische, öffnen so viel mehr Deutsche ihre Häuser für Geflüchtete aus der Ukraine als 2015 für syrische Einwanderer?
Selbstverständlich affiziert uns ein Leid, das sich in unserer Nähe abspielt, das Menschen betrifft, die uns ähnlich sind oder die wir persönlich kennen, mehr als eines, bei dem dies nicht der Fall ist. Die entscheidende Frage lautet jedoch, ob sich aus dieser natürlichen Reaktion ein moralischer Imperativ ableiten lässt, ohne einem naturalistischen Fehlschluss, also dem unzulässigen Schluss vom Sein aufs Sollen aufzusitzen. Anders gefragt: Wie parteiisch dürfen wir bei der Verteilung unserer Hilfeleistungen sein?
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