„NSU 2.0“-Prozess in Frankfurt: Es geht um das Vertrauen in den Staat
Frankfurter Rundschau
Der Prozess rund um die „NSU 2.0“-Drohungen hat vor dem Frankfurter Landgericht begonnen. Es geht um mehr als einen verqueren Rassisten.
Frankfurt – Dreieinhalb Jahre nach dem ersten Drohschreiben gegen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz hat der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter begonnen, der im Mai vorigen Jahres in Berlin festgenommen worden war. Bis dahin hatte er unbehelligt hundertfach seinen rassistischen und sexistischen Hass und seine Morddrohungen gegen engagierte Frauen und andere betroffene Personen und Institutionen versenden können.
Früh war klar, dass er persönliche Informationen über die bedrohten Menschen aus polizeilichen Auskunftssystemen hatte abfragen lassen. Aber wer hat das auf den Polizeirevieren getan, und aus welchen Motiven? Waren es wirklich nur Beamt:innen, die auf einen raffinierten Betrüger hereingefallen sind? Demonstrierende sprachen vor Prozessbeginn bereits von einem „Polizeiproblem“.
Der Sonderermittler und die Staatsanwaltschaft scheinen davon auszugehen. Einen Nachweis haben sie dafür bisher nicht erbracht – nur Vermutungen, die sich auf die Literatur des Verdächtigen und seine frühere Amtsanmaßung beziehen.
Es ist kaum zu glauben, dass das die ganze Wahrheit ist. Wenn sich jemand auf dem Revier die Mühe macht, zig Mal in verschiedenen polizeilichen Auskunftssystemen nach einer Person und ihren Angehörigen zu forschen, dann spricht das nicht für eine Nachlässigkeit – sondern für kriminelle Energie im Amt.
Nur wenn die Frage nach der Rolle der Polizei aufgeklärt wird, erfüllt das Verfahren vor dem Frankfurter Landgericht seine Aufgabe vollständig. Denn wenn es Mittäter:innen gegeben hat, gerade in einer Sicherheitsbehörde, dann hat der Fall eine völlig andere Dimension.