
Zeugen Jehovas "reagierten mit Liebe" auf Blutbad
n-tv
Am Abend des 9. März 2023 dringt ein Mann in ein Hamburger Gemeindezentrum der Zeugen Jehovas ein und schießt mehr als 100 Mal. Er tötet sieben Menschen und sich selbst. Wie geht die Gemeinde mit dem Jahrestag des Amoklaufs um?
Ein Jahr nach dem Amoklauf bei den Zeugen Jehovas in Hamburg-Alsterdorf kämpft die Gemeinde noch immer mit den Folgen der Tat. "Jetzt, wo der Jahrestag näher rückt, ist das für alle zunächst auch ein bedrückendes Ereignis", sagt der Sprecher der Zeugen Jehovas in Norddeutschland, Michael Tsifidaris. Auch die Traumata kehrten zurück. Die allermeisten der Überlebenden seien noch in therapeutischer Behandlung. Er sagt zugleich: "Wir sind froh, dass die Verletzten ungefähr sechs Wochen nach dem Tatgeschehen die Krankenhäuser verlassen konnten." Aber es werde auch physische Langzeitfolgen geben.
Am 9. März vergangenen Jahres hatte sich die Gemeinde aus dem benachbarten Stadtteil Winterhude wie jeden Donnerstagabend zu einem Gottesdienst in ihrem unscheinbaren Gemeindezentrum an der viel befahrenen Straße Deelböge versammelt. Philipp F., ein ehemaliges Mitglied der Gemeinde, wusste das. Bereits kurz vor 19.00 Uhr trifft er dort ein, ist aber zunächst wohl unschlüssig, wie der stellvertretende Leiter des Staatsschutzes, Uwe Stockmann, später vor dem Innenausschuss der Bürgerschaft berichtet. Der 35-Jährige geht hin und her, Mitarbeiter einer benachbarten Tankstelle fragen ihn, ob sie ihm helfen können. "Mir kann man nicht mehr helfen", soll Philipp F. geantwortet haben.
Gegen 21.00 Uhr greift Philipp F. zur Waffe. Auf dem Parkplatz neben dem Gebäude schießt er aus zwei Metern Entfernung neunmal auf ein Auto, mit dem eine Teilnehmerin der Versammlung wegfahren will. Sie wirft sich zur Seite und kann leicht verletzt davonfahren, während Philipp F. auf eine Person hinter einem Fenster schießt. Später findet die Polizei acht leere Magazine für jeweils 15 Schuss vor der Fensterfront. Dann steigt er durch ein Seitenfenster in das Haus ein und feuert mit seiner halb automatischen Pistole vom Typ Heckler&Koch P30L auf die Gemeindemitglieder, wie Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich berichtet. Er tötet sieben Menschen - darunter ein ungeborenes Kind. Anschließend bringt er sich selbst um. Elf Menschen werden bei der Amoktat nach Angaben der Staatsanwaltschaft verletzt.
