Zapfenstreich löst hitzige Debatte aus
ProSieben
Mit Trommeln und Fackeln wird der Afghanistan-Einsatz in Berlin feierlich gewürdigt. Im Netz hagelt es nach dem Zapfenstreich der Bundeswehr plötzlich NS-Vergleiche.
Dutzende Soldaten in dunklen Uniformen, die im Gleichschritt vor dem Reichstagsgebäude aufmarschieren, sie tragen brennende Fackeln und ernste Gesichtszüge, dazu ein pompöser Militärmarsch. Gedacht als eine anrührende Gedenkstunde, als höchste Ehrung für die etwa 90.000 deutschen Soldaten, die mit der Bundeswehr in Afghanistan waren und dort ihr Leben riskierten. Bei einigen Beobachtern sorgen die Bilder des Großen Zapfenstreichs vom Mittwochabend allerdings im Nachgang für Befremdung und Unbehagen. Manche ziehen gar Parallelen zur NS-Zeit, als Nazis 1933 mit Fackeln durch das Brandenburger Tor schritten.
Am Morgen nach dem Zeremoniell, die letzte Fackel ist längst erloschen, entfaltet sich eine hitzige Debatte auf Twitter. Tausende Nutzer posten zu Hashtags wie #Wehrmacht und #Ritual, das Schlagwort #Zapfenstreich liegt zeitweise auf Platz zwei der Twitter-Trends für Deutschland. Nun hat das Kurznachrichtenportal einen gewissen Blasencharakter, der mitunter das Meinungsbild der Bevölkerungsmehrheit verzerrt. Aber aus der Debatte lässt sich auch etwas lesen über das Verhältnis einer Gesellschaft zu ihrer Armee.
Bei der Feier am Mittwochabend soll es um Anerkennung gehen, um Würdigung und um einen vorläufigen Schlusspunkt für einen schwierigen, schmerzhaften und langen Einsatz der Truppe. 59 Soldaten ließen am Hindukusch ihr Leben. Der Große Zapfenstreich ist das höchste militärische Zeremoniell der deutschen Streitkräfte. Mit dem Brauch werden etwa Bundespräsidenten und Bundeskanzler sowie Verteidigungsminister bei ihrer Verabschiedung geehrt. Seine Ursprünge liegen nicht in der NS-Zeit, sondern gehen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Das Zeremoniell findet immer abends statt, besteht aus einem Aufmarsch, mehreren Musikstücken - darunter die Nationalhymne - und dem Ausmarsch. Fackeln gehören immer dazu.
Eine Reihe von Nutzern, aber auch linke Politiker, fühlen sich durch die Szenen der Zeremonie aber an dunkle Kapitel der deutschen Geschichte erinnert, insbesondere weil der Fackelzug nicht etwa im Bendlerblock, sondern vor dem Reichstagsgebäude stattfand. "Wenn Deutsche Fackeln in die Hand nehmen" sage sie mit Max Liebermann "ick kann janich so viel fressen, wie ich kotzen möchte", schreibt die ehemalige Grünen-Politikerin Jutta Ditfurth. Die Linke-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen verweist auf die zivilen Opfer des Afghanistan-Krieges und toten Soldaten. "Was gibt es da zu feiern mit diesem militaristischen Mummenschanz?"