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Wo steht Thailands demokratische Protestbewegung heute?
DW
2020 protestierte die thailändische Jugend im ganzen Land und forderte mehr Demokratie. Die Proteste sind versandet, das autoritäre System geblieben. Ist die Bewegung gescheitert?
Auf großen Bannern forderten sie die Freilassung ihrer inhaftierten Freunde und ein Ende der Militärherrschaft. Im Zuge des Treffens in Washington D.C. zwischen Amerikas Präsident Joe Biden und Thailands Premierminister Prayuth Chan-o-cha auf dem US-Asean-Gipfel versammelten sich am letzten Dienstag wieder Mitglieder der United Front of Thammasat and Demonstration (UFTD) vor der amerikanischen Botschaft in Bangkok. Seit 2020 war das Gelände um die amerikanische Botschaft immer wieder Schauplatz pro-demokratischer Demonstrationen, die sich in Thailand zur größten Protestwelle entwickelten, die das Land seit dem Militärputsch im Jahr 2014 erlebt hat. Über Monate hinweg gingen vor allem junge Menschen landesweit auf die Straßen Thailands, um gegen die militärnahe Regierung von Premierminister Prayuth zu demonstrieren. Sie stellten klare Forderungen: Die Proteste würden weitergehen bis das Parlament aufgelöst, eine neue Verfassung in Kraft gesetzt und das Ende staatlicher Repressionen verkündet werde.
Der Wunsch nach Veränderungen war auch am vergangenen Dienstag auf der Demonstration in Bangkok präsent. Was jedoch neu war, ist der Zulauf an Demonstrierenden. "Wenn im Jahr 2020 zu einer Demonstration vor der amerikanischen Botschaft aufgerufen wurde, dann konnten Tausende von jungen Leuten mobilisiert werden. Am Dienstag waren hingegen nur eine Handvoll Menschen vor Ort", macht Praphakorn Lippert von der Universität Passau im Gespräch mit der DW deutlich. Im Jahr 2022 stellt sich damit die Frage, was aus der einst so populären Protestbewegung geworden ist.
Trotz der Forderungen nach umfassenden demokratischen Reformen hat sich in der thailändischen Gesellschaft seit Ausbruch der Proteste 2020 nicht viel verändert. Die Demokratiebewegung habe die Fronten nochmals verhärtet und zeige, dass der politische Diskurs zunehmend von einem Generationenkonflikt bestimmt ist. "Die neue Bruchlinie in der thailändischen Gesellschaft verläuft zwischen der progressiven Jugend, die Veränderung will; die will, dass Regierung ihre Rechte respektiert - und auf der anderen Seite den konservativen Eliten in der Politik, Wirtschaft und im Militär", erklärt Phil Robertson, Deputy Director von Human Rights Watch in Asien, im Gespräch mit der DW.
Die Proteste richten sich im Kern gegen ein seit Jahrzehnten etabliertes wirtschaftliches und politisches System mit drei privilegierten Teilnehmerkreisen. Das ist erstens eine hauchdünne Schicht von einem Prozent der Bevölkerung, denen zwei Drittel aller Vermögenswerte gehören. Das ist zweitens das Militär, das ebenfalls mit vielen finanziellen Privilegien ausgestattet und mit den Staatsunternehmen verflochten ist. Und drittens die reichste Monarchie der Welt, die weiterhin starken politischen Einfluss ausübt. Durch den Militärputsch im Jahre 2014 hat sich dieses System nochmals verfestigt. Das Militär sieht sich selbst als Wächter der Monarchie, untersteht keiner zivilen Kontrolle und hat durch die eigens durchgesetzte Verfassung Vorkehrungen getroffen, um den Einfluss von demokratischen Institutionen langfristig zu schwächen.
Gerade junge, weltoffene Thais, die das System zunehmend infrage stellen, finden in diesem Machtgefüge keinen Platz. Spätestens als die progressive Zukunftspartei, die mit sechs Millionen Stimmen großen Zuspruch unter jungen Wählerinnen und Wählern fand, im Februar 2020 wegen angeblicher finanzieller Unregelmäßigkeiten durch das Parlament, in dem militärnahe Parteien die Mehrheit haben, aufgelöst wurde, fühlten sich viele Menschen von der Politik im Stich gelassen. "Ich denke, dass es vielen jungen Wählerinnen und Wählern wichtig war, dass sie nicht wie in der Vergangenheit zum Schweigen gebracht werden können. Sie hatten das Gefühl, dass sie aufstehen und etwas sagen müssen, damit sich Thailand weiterentwickelt", so Robertson.