Wo ist Olaf Scholz?
Süddeutsche Zeitung
Während Macron und Johnson fleißig mit Putin telefonieren, hält sich der Bundeskanzler bedeckt. Er werde "bald" nach Moskau reisen, sagt er im ZDF, einen genauen Termin nennt er nicht. Eine wichtigere Rolle im Konflikt zwischen Russland und Ukraine könnte nun ein anderes Land einnehmen.
Neulich im Bundestag musste sich Olaf Scholz einiges anhören. "Sie führen nicht, weder in Deutschland noch in Europa", hielt CDU-Chef Friedrich Merz dem Bundeskanzler von der SPD vor. Er und die Bundesregierung hätten in der Ukraine-Krise ein "Bild der Unzuverlässigkeit der Bundesrepublik Deutschland entstehen lassen". Scharfe Worte von einem, der sein Profil in der neuen Rolle an der Spitze der Opposition schärfen muss. Doch Mahnungen und Zweifel an deutscher Verlässlichkeit angesichts der Bedrohung aus Russland erreichten Berlin zuletzt aus allen Himmelsrichtungen. Manche fragen süffisant: Wo ist Scholz?
Zumindest in ein paar Tagen: auf Reisen. Scholz wird am Sonntag zu seinem Antrittsbesuch bei US-Präsident Joe Biden nach Washington aufbrechen. Hauptthema wird die Kriegsgefahr im Osten Europas sein. Am Mittwochabend sagte der Kanzler dann im heute journal im ZDF, dass er "in Kürze" nach Moskau reisen werde, um den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu treffen. "Das ist geplant und wird auch bald stattfinden", sagte Scholz. Einen genauen Termin nannte er nicht. Erwartet wird zudem, dass er in zwei Wochen bei der Münchner Sicherheitskonferenz über das Verhältnis zu Russland sprechen wird.
Es geht dabei um mindestens 2000 Soldaten. Der Schritt ist ein Signal an jene osteuropäischen Nato-Partner, die sich von einem möglichen russischen Vorstoß in der Ukraine bedroht fühlen.
In die hektische Telefondiplomatie dieser Tage scheint Scholz bisher allerdings weniger eingebunden zu sein. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte am Freitag bei Putin angerufen, der britische Premierminister Boris Johnson wollte es am Mittwoch tun. Im ZDF ließ Scholz offen, wann er zuletzt mit Putin telefonierte. "Natürlich habe ich auch mit dem russischen Präsidenten gesprochen", sagte er lediglich. Allerdings wird in der Bundesregierung auf enge Kontakte auf verschiedensten Ebenen verwiesen und vor allem auch auf die Bemühungen von Jens Plötner, dem außenpolitischen Berater von Scholz, das Normandie-Format wieder in Gang zu bekommen. Deutschland und Frankreich vermitteln in dem Quartett russisch-ukrainische Gespräche zur Umsetzung des Minsker Abkommens zur Befriedung des Donbass. Kommende Woche tagt Plötner in Berlin mit den Kollegen aus den drei anderen Ländern.
Allerdings sind die Normandie-Gespräche eher ein diplomatischer Nebenschauplatz. Russland hat Antwort von den USA und auch von der Nato verlangt auf seine Forderungen nach Sicherheitsgarantien. Sie laufen darauf hinaus, dass die Ukraine und auch sonst niemand in Europa mehr Mitglied der Nato werden darf und die östlichen Nato-Staaten kaum noch unter einem effektiven Schutz des Bündnisses stünden. Die spanische Zeitung El País hat nun Dokumente veröffentlicht, die offenbar Einblick in die bislang unter Verschluss gehaltenen Antworten der Nato und der USA gewähren.