Wirre Ukraine-Rede: Putin schockiert die Welt
ProSieben
Russlands Präsident Putin schockiert die Welt: Er erkennt nicht nur Teile der Ostukraine als unabhängige Staaten an. Er warnt auch die Nato davor, sich auszudehnen. Und wie nach der Annexion der Krim macht er deutlich, dass Sanktionen Russland nicht schrecken.
In seinem Arbeitszimmer im Kreml im feinen Anzug holt Kremlchef Wladimir Putin bei einer Fernsehansprache zum Frontalangriff gegen die Ukraine aus. Das Land existiere überhaupt nur dank Russland, dank dem kommunistischen Revolutionsführer Wladimir Iljitsch Lenin, der vor mehr als 100 Jahren die Grenzen gezogen habe; er sei Autor, Architekt der Ukraine, sagt Putin am Montag. Und trotzdem wende es sich ab von dieser Geschichte, habe sich zum "Marionetten-Regime" der USA machen lassen, wo radikale Nationalisten und Neofaschisten eine antirussische Politik führten.
"Die heutige Ukraine ist ganz und gar von Russland erschaffen worden", sagt er. Mit erhobenem Zeigefinger und Metall in der Stimme klingt Putin in der fast einstündigen Rede zeitweilig so, als spräche er dem Land die Daseinsberechtigung ab, als wollte er die ganze Ukraine einnehmen. Am Ende erkennt er die "Volksrepubliken Luhansk und Donezk" als unabhängige Staaten an – und schickt zum Entsetzen der Ukraine und des Westens russische Soldaten "zur Wahrung des Friedens" dorthin. Und er verschiebt einmal mehr die Grenzen in Europa - acht Jahre nach der Annexion der Schwarzmeer-Halbinsel Krim.
Damit enden nicht nur rund sieben Jahre lange Gespräche zur Umsetzung des unter deutsch-französischer Vermittlung in Minsk ausgehandelten Friedensplans. Die Entscheidung stürzt Russland auch noch tiefer in die Krise mit dem Westen. Aber Putin macht seit langem deutlich, dass ihn Sanktionen des Westens nicht im Geringsten jucken. Er meint, dass die USA und die EU immer einen Vorwand für Strafmaßnahmen fänden. Aber letztlich machten sie das Land eher stärker.
Putin hatte schon nach der Krim-Annexion deutlich gemacht, dass Russland sein Verhalten durch den Druck des Westens nicht ändere. Damals wie heute erklärt der 69-Jährige sein Vorgehen mit dem Schutz der russischsprachigen Welt. Er spricht in seiner Rede von einem "Genozid" in der Ostukraine. Ein Völkermord an den Russen in der Ukraine? Kanzler Olaf Scholz hatte das nach seinem Treffen mit Putin vor einer Woche als "heftiges" und "falsches" Wort kritisiert.
Aber Moskaus Führung besteht darauf, dass wegen der ukrainischen Verbrechen gegen die russischsprachige Bevölkerung im Donbass kein anderer Weg bleibe. Putin macht mit der Anerkennung das, was nicht nur die prorussischen Separatisten von ihm verlangen. Auch das russische Parlament hatte mehrheitlich einen Aufruf an Putin verabschiedet, Luhansk und Donezk als souveräne Staaten anzuerkennen.