Wieder zerschmettert
Süddeutsche Zeitung
Alexander Zverev muss auch im 29. Versuch seinen Traum von einem Grand-Slam-Titel begraben. Bei der klaren Niederlage gegen Denis Shapovalov präsentiert sich der deutsche Tennisprofi rätselhaft schwach - und wird von Boris Becker kritisiert.
In der Tenniswelt hat niemand bis zum heutigen Tag ein besseres Buch geschrieben als Andre Agassi. "Open" hat der frühere Weltranglisten-Erste sein Werk genannt, in dem er vor 13 Jahren mit der Hilfe des Pulitzer-Preisträgers J.R. Moehringer seine Seele entblößte. Schonungslos schildert Agassi darin, wie er Tennis hasste, wie ihn Zweifel zerrissen, Verletzungen plagten, wie er Crystal Meth nahm, um sich zu betäuben. Das, was ihm das Leben vor allem schwergemacht hatte, war die Einsamkeit. "Nur Boxer können die Einsamkeit von Tennisspielern verstehen", schrieb er. Wobei: Diese hätten wenigstens Betreuer in der Ecke während der Ringpause und auch den Gegner, an diesen könnten sie sich notfalls festklammern. Im Tennis? Wähne man den Gegner vor sich - "aber du berührst ihn nie oder sprichst nie mit ihm, oder mit irgendjemand anderem". Tennis, schlussfolgerte er, sei von allen Disziplinen jene, die "am nächsten der Isolationshaft" komme.
Auch heute ist das wohl noch so. Tennis kann brutal sein. Davon zeugte dieser Sonntag.
Das beste deutsche Tennisdoppel ist wieder vereint: Kevin Krawietz und Andreas Mies wollen nach dessen Verletzung ihre Erfolgsgeschichte fortschreiben - und beweisen, dass sie eine besondere Chemie haben. Von Gerald Kleffmann
Da saß Alexander Zverev, allein, in der Pressekonferenz, nachdem er zuvor, trotz Tausender von Zuschauern in der Margaret Court Arena, schon wie verloren gewirkt hatte. Er hatte diesen glasigen Blick, der alle Protagonisten eint, wenn sie sich in einem besonders wichtigen Duell geschlagen geben mussten.
Keine Stunde lag da das 3:6, 6:7 (5), 3:6 gegen den Kanadier Denis Shapovalov, 22, zurück, mit dem sein 29. Versuch, endlich bei einem Grand-Slam-Turnier zu reüssieren, zerschmettert wurde. Diesmal in der vierten Runde bei den Australian Open. Nun begann der schmerzvolle Epilog, der Prozess der Bewertung und ersten Aufarbeitung. Längst ist Zverev geübt darin, beim Frage- und Antwortablauf die Fassung zu wahren; ein patziges "Ich bin auf dem Boot in Monte Carlo" wie einst nach einer Niederlage in Wimbledon rutscht ihm nicht mehr heraus. Er ist zwar immer noch erst 24 Jahre alt, aber reichlich erfahren auf den großen Bühnen. 19 Titel hat er auf der Profitour errungen, er wurde zweimal ATP-Weltmeister, außerdem Olympiasieger. Doch einfach ist es nie. Das war an den Gesten, an der Mimik abzulesen.