Wie Toni Kroos Fußball-Deutschland spaltet
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Toni Kroos ist einer der erfolgreichsten Fußballer aller Zeiten. Er ist nicht nur Weltmeister und hat sechs nationale Meisterschaften eingefahren, er darf sich nun auch fünffacher Champions-League-Sieger nennen. Und dennoch ist der 32-Jährige in seiner deutschen Heimat umstritten.
Für die einen ist es ein nervtötendes Quergeschiebe, für die anderen sind es die cleversten Pässe der Welt. Toni Kroos polarisiert. Und das nicht nur wegen seines abgebrochenen Wut-Interviews im ZDF am Samstagabend, das eine ganze Nation aus der Lethargie eines wenig spektakulären Finalspiels aufscheuchte. Er ist nach Mesut Özil wohl der am emotionalsten diskutierte Nationalspieler der herausragenden Generation, die 2014 in Brasilien Weltmeister geworden war, und nun immer mehr aus dem Fokus rückt. Durchaus amüsant: So groß die Emotionalität in der Bewertung von Kroos ist, so kühl gibt sich der gebürtige Greifswalder als Profi, so abgezockt ist sein Spiel. Und seit Jahren so unfassbar erfolgreich.
Als sein Team, die Königlichen von Real Madrid, im Stade de France von Paris den wichtigsten Vereinswettbewerb wieder mal für sich entschieden hatte, auf glückliche Weise mit 1:0 gegen den FC Liverpool, da wurden die Einzelkritiken formuliert. Ein Klassiker im Sportjournalismus. Eine beliebte Kategorie bei Fans. Eine, die den großen Stoff für die leidenschaftliche Aufarbeitung liefert. Kroos galt manchen Experten als bester Mann bei Real. Die französische Sportzeitung "L’Equipe" sah ihn dagegen als schlechtesten Spieler seines Teams. Und neben Liverpools Luis Diaz als schwächsten Mann auf dem Feld. Die Statistiken geben das nicht her. Die Passquote war überragend, die Zahl der Ballaktionen höher als bei jedem seiner Teamkollegen.
Aber was sind schon Statistiken! Fußball ist Emotion, nicht schnödes Zahlenwerk (bloß im Ergebnis). Wenn einer darüber etwas zu erzählen weiß, dann ist es Özil. Wobei sich dessen Bewertung ja allzu oft mit dem Fremdeln vor seinen türkischen Wurzeln vermischte. Der legendäre Cristiano Ronaldo konnte noch so häufig wiederholen, dass er kaum einen Mitspieler je mehr schätzte als Özil. In seiner deutschen Heimat verfing sich das nicht. Und wird es nicht mehr tun. Zu vergiftet ist die Atmosphäre um den Spielmacher wegen seiner Nähe zum international kritisch betrachten türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und seiner Abrechnung mit dem DFB. Zu kaputt seine Karriere, die nach seinem Rauswurf bei Fenerbahce vielleicht schon beendet ist. Wie seltsam das wäre.
Einer ist noch zu viel: Mit 27 Fußballern bereitet sich die Nationalelf auf die EM-Generalprobe gegen Griechenland vor, aber nur 26 dürfen mit zum Heim-Turnier. Bundestrainer Julian Nagelsmann verrät, dass die Entscheidung schon gefallen ist. Nur Außergewöhnliches könnte noch ein Umdenken erzwingen.