
Wie Staunen und Ehrfurcht wieder erwachen
n-tv
Über alle Krisen und Katastrophen geraten die Vielfalt und Schönheit dieser Welt allzu leicht in Vergessenheit. Bis der Verlust so deutlich spürbar wird, dass es schmerzt. So geht es Katherine May, die sich auf die Suche macht, den Zauber der Welt wiederzuentdecken.
Mit "Überwintern" traf Katherine May 2020 den Nerv einer weltweiten Lesegemeinde. Während die Welt angesichts einer Pandemie einfror, waren Mays Worte von ungeheurer Tröstlichkeit. Man mag sich den inneren oder äußeren Winter nicht aussuchen, doch die Art des Überwinterns liegt immer noch in der eigenen Macht. Das war Mays Botschaft. Es ist an jedem, sich nach seiner Version auf die Suche zu machen.
Mays neues Buch "Der Zauber der Welt. Trost finden in unruhigen Zeiten", übersetzt von Marieke Heimburger, ist die Erkundung ihrer eigenen Suche. Sie ist, wie wir alle, möchte man sagen, erschöpft von den Corona-Belastungen, den Krisen dieser Zeit und einer Welt, die anscheinend kaum Trost zu bieten hat. Sie wacht nachts ständig auf, schafft es nicht mehr zu lesen, ihre Hände kribbeln. Der Sohn Bert braucht Homeschooling, mit ihrem Mann streitet May erbittert um Zeiten, in denen sie den Schreibtisch bekommt, um wenigstens ein bisschen zu arbeiten. Sie fühlt sich als sozialer Trümmerhaufen, "unendlich müde, wie es Menschen sind, die sich nirgends mehr zu Hause fühlen". Gleichzeitig wächst in ihr "ein Verlangen nach metaphysischen Erfahrungen, nach Tiefe, nach Sinn".
Also beschließt sie, sich wieder verzaubern zu lassen, zurückzukehren in das Staunen der Kindheit oder auch in die Begeisterung früherer Erwachsenenjahre, wenn sie schwamm oder Kieselsteine sammelte. Verzauberung, das erscheint ihr als "das sich entziehende Teilchen, das unsere instabile Materie zusammenhält".
