Werden Krebskranke in der Corona-Pandemie unterversorgt?
Frankfurter Rundschau
Die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie sieht Unterversorgung von Krebskranken während der Corona-Pandemie. Notwendige Operationen müssen verschoben werden.
Frankfurt – Die Corona-Pandemie hatte in vielen Ländern und auch in Deutschland Folgen für die Versorgung von Krebskranken: Bei einem Teil der Patient:innen verzögerten sich notwendige Operationen. Das belegen unter anderem eine große internationale Studie und eine Untersuchung der Universität Halle; allerdings beziehen sich beide auf Daten aus 2020. Die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie warnt aber auch wegen der aktuellen Welle der Omikron-Variante vor Versorgungsengpässen zulasten von Menschen mit Krebs.
Offiziell sollten Tumoroperationen ausgenommen sein, wenn Notfallpläne während der Pandemie greifen und planbare Eingriffe verschoben werden. Eigentlich. Wie die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie in einer Mitteilung schreibt, gebe es indes „vielerorts Berichte, dass die Realität doch anders aussieht“. „Bei Auslastung aller Ressourcen und Betten in den Krankenhäusern der stark betroffenen Regionen werden auch Krebspatient:innen unverrichteter Dinge wieder nach Hause geschickt.“ Die Fachgesellschaft warnt deshalb vor einer Unterversorgung von Krebskranken, „die de facto schon vielerorts Realität“ sei.
Erschreckend muten auch die Zahlen einer im Fachmagazin „The Lancet Oncology“ veröffentlichten Kohorten-Studie der „CovidSurg Collaborative“ an. Die Autor:innen hatten sich dafür die Daten von 466 Krankenhäusern aus 61 Ländern angeschaut; insgesamt ging es um mehr als 20.000 erwachsene Patient:innen mit 15 verschiedenen Krebsarten. Bei allen stand die operative Entfernung eines Tumors an.
Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass der bereits geplante Eingriff bei etwa zehn Prozent dieser Menschen auch nach 23 Wochen noch nicht stattgefunden hatte. In jedem dieser Fälle wurde ein Grund im Zusammenhang mit Covid-19 aufgeführt. Bei strengen Lockdowns war die Rate der Ausfälle besonders hoch, dann musste eine von sieben Personen auf den geplanten Eingriff warten. Überproportional stark betroffen waren Tumorkranke, die besonders intensive Pflege nach der Operation benötigten sowie Menschen mit zusätzlichen Erkrankungen oder fortgeschrittenem Krebs. Grundsätzlich wurden die Krebsoperationen in ärmeren Ländern häufiger verschoben als in reicheren.
Trotz der Verzögerungen wurde (noch) kein vermehrtes Auftreten von Metastasen beobachtet; mit der Einschränkung, dass die seitdem vergangene Zeit zu kurz ist, um mögliche Schäden richtig einschätzen zu können. Damit Rezidive und Tochtergeschwulste als potenziell fatale Folgen einer Verschiebung von Operationen möglichst vermieden werden, rät die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie, eine Strahlentherapie einzusetzen, „um das Krebswachstum einzudämmen und die Zeit bis zur OP zu überbrücken“. In vielen Fällen könne sie eine „gleichwertige Alternative“ darstellen, etwa bei Prostatakrebs.