Wenn der Mount-Everest-Erfolg zur politischen Botschaft wird
DW
Es ist die erste große Gipfelwelle der Frühjahrssaison: Unter den vielen, die an diesem Donnerstag auf dem höchsten Berg der Erde standen, war auch eine Ukrainerin - und eine Gruppe ausschließlich schwarzer Bergsteiger.
Antonina Samoilova hatte eine ukrainische Flagge im Rucksack, als sie an diesem Donnerstag als eine von mehreren Dutzend Mitgliedern kommerzieller Teams den Gipfel des Mount Everest auf 8849 Metern erreichte. Sie besteige den höchsten Berg der Erde "als eine weitere Erinnerung an die Welt, dass die Ukraine immer noch kämpft und wir kämpfen werden, bis wir gewinnen", hatte die 33-Jährige zuvor auf Instagram verkündet. Samoilova war die einzige Ukrainerin unter 317 ausländischen Bergsteigerinnen und Bergsteigern, denen die Regierung Nepals in diesem Frühjahr die Genehmigung erteilt hatte, den Everest zu besteigen.
Die meisten ukrainischen Bergsteiger hatten ihre Pläne im Himalaya für diese Klettersaison wegen des russischen Angriffskriegs gegen ihr Heimatland aufgegeben. Die Zahl von 17 Everest-Gipfelaspiranten aus Russland lag dagegen in derselben Größenordnung wie 2021, als die Regierung trotz grassierender Corona-Pandemie die Rekordzahl von 408 Everest-Permits erteilt hatte.
Im Vorfeld der diesjährigen Frühjahrssaison waren in Nepal Stimmen laut geworden, analog zum Vorgehen in anderen Sportarten russische Bergsteigerinnen und Bergsteiger von den Kletterrouten des Himalayastaats zu verbannen. Die Regierung in Kathmandu war auf diese Forderung allerdings nicht eingegangen. Nepal hatte aber im Gegensatz zu seinen südostasiatischen Nachbarländern Indien und Pakistan für eine UN-Resolution gestimmt, in der die russische Invasion in der Ukraine scharf verurteilt worden war.
Dass Everest-Besteigungen genutzt werden, um politische oder andersgeartete Botschaften zu verbreiten, hat Tradition: Der Mount Everest garantiert schließlich Aufmerksamkeit. Ganz einfach, weil er der höchste aller Gipfel ist - und wohl der einzige Berg, der im Bewusstsein aller Menschen verankert ist.
Dabei ist eine Everest-Besteigung schon lange keine exklusive Angelegenheit mehr. Seitdem 1953 der Neuseeländer Edmund Hillary und der nepalesische Sherpa Tenzing Norgay als Erstbesteiger auf dem Gipfel standen, wurde der Everest mehr als 10.000-mal erklommen. Nur rund zwei Prozent dieser Erfolge wurden ohne Flaschensauerstoff erreicht. Und ohne Sherpa-Unterstützung würden fast alle Everest-Aspiranten wohl nicht über das Basislager auf gut 5300 Meter Höhe hinauskommen. Aber solche Details spielen in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle.