Was kommt nach der Torwart-Generation um Manuel Neuer und Co.?
DW
Deutschland galt im Fußball stets als "Torhüter-Nation", doch die Zahl deutscher Stammkeeper in der Bundesliga nimmt seit Jahren ab. Für junge Torhüter wird es immer schwieriger, eine Chance zu bekommen.
83,3 Prozent - so hoch war der Anteil deutscher Stammtorhüter in der Fußball-Bundesliga am Ende der Saison 2012/2013. Oder anders ausgedrückt: Vor zehn Jahren stand in 15 von 18 Bundesliga-Toren noch ein deutscher Keeper. Das hat sich seitdem drastisch geändert. Aktuell setzen nur noch sieben Bundesligaklubs auf eine deutsche Stammkraft im Tor. Der jüngste ist Marvin Schwäbe vom 1. FC Köln - allerdings ist auch er bereits 27 Jahre alt. Jüngere deutsche Torhüter, die regelmäßig in der Bundesliga Spielpraxis und Erfahrungen sammeln dürfen, sucht man vergeblich.
"Wenn man sich die Top-Talente der vergangenen Jahrzehnte anschaut - und da reden wir von Spielern wie Manuel Neuer, Marc-André ter Stegen, Thibaut Courtois und Jan Oblak oder, wenn man weiter ausholen möchte, Gianluigi Buffon und Iker Casillas", sagt Marc Ziegler im Gespräch mit der DW, "dann hatten diese Torhüter im Alter von 23 Jahren im Schnitt bereits über 200 Seniorenspiele bestritten. An diese Zahl kommen unsere Talente mit Sicherheit nicht dran."
Ziegler war früher selbst Bundesliga-Torwart - unter anderem beim VfB Stuttgart und Borussia Dortmund. Seit 2015 ist er als Torwart-Koordinator beim Deutschen Fußballbund (DFB) tätig und dort verantwortlich für die Entwicklung der Nationaltorhüter und -torhüterinnen ab der U15, außerdem für die Torwarttrainer-Ausbildung und alles, was unter dem Dach der DFB-Akademie mit der Analyse, Entwicklung und Verbesserung des Torwartspiels zusammenhängt.
"Der Wettbewerbsdruck ist größer geworden und auch die Wertigkeit der Liga", führt Ziegler als Gründe dafür an, dass weniger deutsche und generell kaum noch junge Torhüter, egal welcher Nation, in der Bundesliga spielen: "Die Bundesliga gehört zu den drei Top-Ligen weltweit. Daher versuchen die Vereine, wettbewerbsfähige Torhüter zu bekommen. Die Torhüter, die aus dem Ausland kommen, bringen schon einen gewissen Erfahrungsschatz mit. Die meisten haben bereits internationale Einsätze absolviert, sowohl bei ihren Nationalmannschaften als auch in einem europäischen Wettbewerb."
Als Folge dieser Entwicklung - so die Befürchtung vieler Experten - wird die deutsche Nationalmannschaft in einigen Jahren einen Engpass auf der Torhüterposition bekommen. "Ich sehe das mit großer Sorge", sagte jüngst auch Ex-Bundestorwarttrainer Andreas Köpke gegenüber Sport1, als er über die Zeit nach Manuel Neuer, Marc-André ter Stegen und Kevin Trapp sprach. Beim DFB ist man sich dessen bewusst und hat die Ausbildung von Torhütern und Torwarttrainern in den vergangenen Jahren immer mehr verbessert.