
Was der Élysée-Vertrag heute bedeutet
n-tv
Der deutsch-französische Freundschaftsvertrag von 1963 fing für de Gaulle mit einer großen Enttäuschung an. Seine Bedeutung blieb trotzdem immens. Er sorgt für Verflechtungen und Routinen, die bis heute Entfremdungen abfedern.
Als der Élysée-Vertrag heute vor 60 Jahren von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer im Palais des französischen Präsidenten unterzeichnet wurde, verfolgte der französische Staatspräsident damit Ziele, die längst vergessen sind und in den Erinnerungsfeiern bisher auch meist nicht mehr erwähnt werden. De Gaulle wollte mit diesem Vertrag ein gegenüber den Vereinigten Staaten militärisch und außenpolitisch eigenständiges Europa unter der Führung Frankreichs mit der entscheidenden Unterstützung der damaligen Bundesrepublik aufbauen. Deshalb wurden in diesem Vertrag drei Themen geregelt: sehr ausführlich die militärische und außenpolitische Zusammenarbeit, die regelmäßigen Treffen der Regierungen und zudem in die Zukunft gerichtet der Sprachunterricht an Schulen und die Begegnung der französischen und deutschen Jugend. Zwei andere Bereiche wurden dagegen aus dem heutigen Blick erstaunlicherweise nicht angesprochen: die Zusammenarbeit in Wirtschaft und Kultur.
Die Geschichte dieses Vertrages begann mit einem Scheitern. Der Bundestag entschied sich in seiner Beratung über das Abkommen dafür, ihm eine Präambel voranzusetzen, in der die Zusammenarbeit in der NATO und mit den Vereinigten Staaten beschworen wurde. Für de Gaulle war der Vertrag damit gescheitert. Wenige Monate nach der Unterzeichnung sagte er enttäuscht im französischen Ministerrat, die deutschen Politiker wollten aus dem Élysée-Vertrag "ein leeres Gehäuse machen. Und warum das alles? Weil deutsche Politiker Angst davor haben, nicht genug vor den Angelsachsen zu kriechen."
Der Vertrag behielt trotzdem große Bedeutung: Er führte dauerhaft zu regelmäßigen Treffen der Regierungsmitglieder und der Parlamentarier beider Länder, die auch in Zeiten der Entfremdung wie in der Gegenwart stattfanden. Diese Routine hat Spannungen abgekühlt und Entfremdungen abgebaut. Darüber hinaus wurden auf der Grundlage dieses Vertrages das Deutsch-Französische Jugendwerk gegründet, in dem zahllose französisch-deutsche Jugendtreffen organisiert wurden. Damit entstand ein wichtiger Teil der engen Verflechtungen von französischer und deutscher Gesellschaft, die auch Entfremdungen zwischen den beiden Regierung abfederten. Der Élysée-Vertrag wurde schließlich zu einem dauerhaften Symbol für die besonders enge französisch-deutsche Partnerschaft und Freundschaft. Der Aachener Vertrag von 2019, der als eine Erneuerung des Élysée-Vertrages beschlossen wurde, hat nicht die symbolische Ausstrahlungskraft des Élysée-Vertrages erreichen können.
