
Was den Vater mit Klaus Barbie verbindet
n-tv
Frankreich braucht 1987 nur wenige Wochen, um im Prozess gegen Klaus Barbie einige der schlimmsten Verbrechen des Zweiten Weltkriegs abzuurteilen. Die Vergangenheitsbewältigung seiner eigenen Familie beschäftigt den Autor Sorj Chalandon hingegen ein ganzes Leben.
Kaum jemand verfolgte den Gerichtsprozess gegen den ehemaligen Gestapo-Chef Klaus Barbie in Lyon so genau wie der Journalist Sorj Chalandon. Für seine Reportagen aus dem Gerichtssaal, in dem es um die Deportation jüdischer Kinder, Massenerschießungen und Folter ging, wurde er mehrfach ausgezeichnet. In seinem neuen Roman "Verräterkind" erzählt Chalandon diesen Prozess noch einmal. Gleichzeitig geht es um die Frage, welche Rolle sein Vater in jener Zeit der 1940er Jahre hatte. Die Tragweite der Geschichte seines Vaters zu begreifen, beschäftigt Chalandon sein ganzes Leben.
Lyon, 1962. Chalandon ist zehn, als ihm sein Großvater an den Kopf knallt, dass er ein "Verräterkind" ist. Im Krieg, da stand sein Vater "auf der falschen Seite" und trug "deutsche Kluft". Die Vorwürfe des Opas lassen den Jungen verwirrt zurück - passen sie doch kaum mit den Heldengeschichten des Vaters zusammen, denen er Abend für Abend lauscht.
Darin stellt sich der Vater mal als französischen Patrioten dar, der den Feind sabotierte und mal als einfachen Soldaten, der den Krieg mit viel Mut und Geschick überlebte. In anderen Geschichten berichtet er plötzlich, wie er als SS-Mitglied in den Kampf gegen den Bolschewismus zog oder 1945 den Führerbunker in Berlin verteidigte. Welche Rolle er auch einnimmt, immer wähnt sich Chalandons Vater auf der richtigen Seite. Immer ist er mutiger und klüger als alle anderen. Stellt Chalandon Fragen, gar kritische, schlagen ihm statt Antworten Fäuste und Beleidigungen entgegen.