Warum Illumina sich der EU-Fusionskontrolle widersetzt
Süddeutsche Zeitung
Der US-Konzern Illumina hat einen Krebstestanbieter gekauft, obwohl die EU dies noch nicht genehmigt hat. Vorstandschef deSouza verteidigt sein Vorgehen und warnt, dass das Leben Zehntausender Europäer auf dem Spiel stehe.
Bei dem Streit geht es um eine Acht-Milliarden-Dollar-Übernahme, um die Grenzen der Macht von Europas Wettbewerbshütern - und womöglich um das Leben Zehntausender Patienten: Der Medizintechnikkonzern Illumina will den Krebstestanbieter Grail kaufen. Doch die EU-Kommission hat Bedenken gegen die Fusion der beiden US-Unternehmen angemeldet und prüft den Fall nun vertieft. Eine Entscheidung soll bis 4. März fallen.
Illumina zweifelt aber an, dass die Brüsseler Behörde überhaupt zuständig ist, und hat Klage beim EU-Gericht in Luxemburg eingereicht. Zudem hat der börsennotierte Konzern aus Kalifornien die Übernahme im August bereits vollzogen, ohne das Placet der Wettbewerbshüter abzuwarten: nach Aussage der Kommission ein "beispielloser" Vorgang. Die Behörde hat Illumina dazu verpflichtet, die neue - und vielleicht illegitime - Tochter Grail bis zum Abschluss der Untersuchung als getrennte Firma zu führen, damit die Fusion je nach Ergebnis der Prüfung rückabgewickelt werden kann. Zudem könnten für den Affront Hunderte Millionen Euro Bußgeld fällig werden.
Illumina-Vorstandschef Francis deSouza verteidigt sein Vorpreschen: "Die Übernahme wäre ansonsten nach US-Recht verfallen", sagt er im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Die amerikanische Wettbewerbsbehörde gebe eine Frist vor, um angemeldete Zukäufe zu vollziehen, und "uns wurde irgendwann klar, dass die Prüfung der Kommission länger als diese Frist dauern wird", erklärt der Manager.
"Die Einsätze sind sehr hoch", sagt er. Schließlich würde eine Genehmigung des Geschäfts durch Brüssel "zwischen 65 000 und 100 000 Leben in Europa retten". Die Grundlage für dieses vollmundige Versprechen ist ein Test zur Krebs-Früherkennung, den Grail entwickelt und im Juni auf den US-Markt gebracht hat. Der Test soll anhand einer Blutprobe feststellen, ob der Patient an einer von mehr als 50 Krebsarten leidet, ohne dass er bislang Symptome verspürt. DeSouza sagt, Grail habe diesen Test erst einmal in den USA, Kanada und Großbritannien einführen wollen; an die EU habe sich das Start-up in den kommenden Jahren nicht heranwagen wollen.
Illumina hingegen habe Erfahrung mit den europäischen Gesundheitssystemen, erläutert er. Nach der Übernahme würde sein Konzern den Test daher viel schneller in die EU bringen, als Grail allein es könnte. Da Grail aber auf Anordnung der Kommission weiter getrennt geführt werde, "können wir bisher nichts beschleunigen", klagt der Vorstandsvorsitzende.
