
Warum die Europawahlen 2024 anders sind
n-tv
Die zehnte Europawahl seit 1979 steht bevor. Wird sie eine Routineveranstaltung mit vorwiegend nationalen Themen und Politikern? Vermutlich nicht. Denn einiges spricht dafür, dass das Jahr 2024 einen Wendepunkt markiert.
Bereits zum zehnten Mal finden in einer Woche, in Deutschland am 9. Juli, Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Man sollte meinen, alles sei wie immer. Doch diese Wahlen werden anders sein. Dafür gibt es vier Gründe.
Erstens könnten rechtsradikale Parteien bei diesen Wahlen erstmals die 20-Prozent-Marke überspringen. Sie werden zwar die starke Mehrheit der europafreundlichen Parteien nicht beseitigen können, aber sie könnten entweder erheblich mehr Einfluss bekommen oder den Entscheidungsprozess im Parlament mehr stören. Dieser Zuwachs der Rechtsextremen im Europäischen Parlament gewinnt auch dadurch an Bedeutung, dass sich der Europäische Rat verändert hat: In den letzten zwei Jahren stieg die Zahl der Regierungen, die entweder unter der Führung oder unter der Beteiligung von Rechtsextremen stehen, sprungartig an. Heute sind es schon sieben Regierungen, demnächst könnten es je nach dem Ausgang der Wahlen in Belgien und Österreich sogar neun sein. Damit verändern sich nicht nur die Mehrheiten im Europäischen Rat. Auch das Gewicht der Rechtsextremen im Europäische Parlament verschiebt sich dadurch.
In einem erstaunlichen Kontrast dazu ist, zweitens, neu an dieser Wahl, dass die Bürger schon lange nicht mehr so viel Vertrauen in die Europäische Union besaßen wie in diesem Wahljahr. Die große Mehrheit der Bürger sah im Frühjahr 2024 die Europäischen Union als eine gute Sache für ihr Land an, dagegen nur jeder Achte als eine schlechte Sache. Die Mehrheit der Bürger setzt in die Europäische Union sogar mehr Vertrauen als in die jeweils eigene Regierung. Auf ein solches Polster an Vertrauen konnte sich die Europäische Union zum letzten Mal bei den Wahlen 2004, also vor der Zeit der vielen Krisen, stützen. Dieser scharfe Kontrast zwischen einem Zuwachs an rechtsextremen Wählern und einer hohen Zustimmung der Bürger zur Europäischen Union prägt diese Wahlen. Die Wähler sind mehr als früher geteilt in eine große proeuropäische Mehrheit und eine europaskeptische Minderheit.
