Warum deutsche Talente es schwer haben in der Bundesliga
Frankfurter Rundschau
Deutsche Nachwuchskräfte kommen in der Bundesliga zu wenig zum Einsatz – die Spielzeiten der U21-Nationalspieler bewegen sich weiter auf einem erschreckend niedrigen Niveau. DFL und DFB kommen mit Reformen nicht voran
Prominente Namen gehörten zu dem Dutzend deutscher Profis, die sich am vergangenen Spieltag in die Bundesliga-Torschützenliste eingetragen haben. Darunter aktuelle A-Nationalspieler, Thomas Müller, Serge Gnabry, Leroy Sané und Marco Reus, und ehemalige, Max Kruse und Karim Bellarabi. Abgesehen davon, dass sich Neu-Nationalspieler David Raum ein Eigentor erlaubte, trat von den deutschen Nachwuchshoffnungen allein der U21-Nationalspieler Kevin Schade mit seinem dritten Saisontreffer in Erscheinung – der 20-Jährige wird als der nächste Diamant vom SC Freiburg gehandelt. Aber es gibt ansonsten nicht viele, die so funkeln wie dieser dynamische Offensivallrounder.
Nur 4,2 Prozent der Gesamtspielzeit (in der Zweiten Bundesliga 8,1 Prozent) wurde in der Bundesliga-Hinrunde von deutschen Nachwuchskräften bestritten. Ein Problem, das die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und den Deutschen Fußball-Bund (DFB) gleichermaßen beschäftigt und regelmäßig erörtert wird. „Das Thema ist bei Klubs und DFL erkannt“, sagt Andreas Nagel, DFL-Direktor Sport & Nachwuchs. Und Meikel Schönweitz, DFB-Cheftrainer U-Nationalmannschaften, kann auf dieser Ebene im Gespräch mit der FR nur die gute Zusammenarbeit betonen: „Da gibt es keine verhärteten Fronten.“ Vor zwei Jahren hatten DFL und DFB deswegen Alarm geschlagen – und kurz vor Ausbruch der Corona-Krise zu einem Gespräch in die DFL-Zentrale gebeten. Entscheidend gebessert hat sich die Situation seitdem nicht.
U21-Nationaltrainer Antonio Di Salvo warnte im Fachmagazin „Kicker“: „Uns fehlt die Breite an Spielern, die Praxis in der Bundesliga bekommen. Unser Pool an Kandidaten ist viel geringen als jener der Franzosen oder Engländer.“ Ihm fiel auf: „In den Jahrgängen 2000 und 2001 sind die Einsatzzeiten der ausländischen Spieler in der Bundesliga doppelt so hoch wie die der deutschen. Das ist extrem. In den anderen Ligen sind die Spielminuten der einheimischen U21-Spieler drei- oder viermal so hoch.“
Schönweitz spricht von einer „extrem komplexen Thematik“, deren Bedeutung für den deutschen Fußball noch zunehmen werde: „Wir sehen nämlich, dass wir in den einzelnen Jahrgängen nicht mehr zehn, zwölf, sondern oft nur noch eine Handvoll Toptalente haben.“ Dem ehrgeizigen Nachwuchsexperten geht es um mehr, als nur die A-Nationalmannschaft mit leistungsstarkem Nachschub für die nächsten Jahre zu versorgen. Insgesamt müsse sich der deutsche Fußball bewegen, um vorwärts zu kommen – das verharren in alten Denkmustern und überholten Wettbewerbsformaten im Jugendbereich helfe da nicht weiter. Und die gerade auf den Weg gebrachte Reform im Kinderfußball ab 2024 (die FR berichtete) kann nur ein erster Schritt sein.
Der Verband hat für seine U-Nationalmannschaften allesamt positionsspezifische Programme aufgelegt. Solche Maßnahmen sind als gezielter Impuls für die Alltagsarbeit im Verein, in den Leistungszentren oder die Landesverbände zu verstehen. Denn der im vergangenen Sommer gewonnene EM-Titel bei der U21 hat nur kaschiert, was seit längerem schiefläuft, weshalb der abgetretene Ligachef Christian Seifert damals die Botschaft überbrachte: „Jetzt geht es darum, bei der Nachwuchsarbeit die Versäumnisse der vergangenen Jahre aufzuholen.“