
Warum der nächste Papst kein Reaktionär wird
n-tv
Wahrhaftig, offen, ehrlich - so einen wie José Maria Bergoglio möchten die Gläubigen auf der ganzen Welt wiederhaben. Das weiß ntv-Korrespondent Udo Gümpel aus Rom zu berichten, der sich unter den Trauernden vor Ort umgehört hat.
Die Trauernden, die den Petersdom verlassen haben, nach einem letzten Blick auf Papst Franziskus, angesprochen auf ihren Wunsch, nach der Figur des Nachfolgers, antworten fast einstimmig: ein Franziskus II. Als statistisch saubere Umfrage kann dieses Meinungsbild natürlich nicht gelten. Die Hunderttausenden, die sich in Rom von ihrem Papst verabschieden, haben mit ihrem stundenlangen Stehen in der Warteschlange, den Mühen der Überwindung der strengen Sicherheitskontrollen, jedoch bereits ihre Wahl offenbart: Sie vermissen José Maria Bergoglio, diesen Sohn italienischer Emigranten nach Argentinien, seine Einfachheit, Nahbarkeit, das freundliche Wesen. Egal ob Kardinal, Journalist oder Optiker, alle, die ihm persönlich begegnen konnten, haben ihn so erlebt: wahrhaftig, offen, ehrlich. So einen wollen die Trauernden wiederhaben.
Blicken wir auf die Zahlen: Von den 133 Wahlkardinälen, die den neuen Papst wählen werden - so viele haben ihr Kommen angekündigt, zwei fehlen wegen Krankheit - sind 102 von Franziskus als Kardinal "geschaffen" worden, wie es im Kirchendeutsch heißt. Theoretisch würde das für eine Zweidrittel-Mehrheit reichen, die für die Wahl des Nachfolgers notwendig ist. Nun hat sich Franziskus aber nicht nur Freunde gemacht durch die Art seines Regierens; sein Pontifikat war geprägt von tiefem Misstrauen gegen die Kurie, die vatikanische Bürokratie. Als absolutistischer Souverän, nach gültigem katholischem Kirchenrecht, bestimmte er alles allein, wie ein Monarch des Mittelalters. Er hat nicht wenige Alteingesessene abserviert, ohne viel Federlesen. Die deshalb natürlich zu seinen Erzfeinden gehörten, wie der frühere Chef der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller.
