Vortrag abgesagt: „Personen wie Vollbrecht geht es nie um biologische Zweigeschlechtlichkeit“
Frankfurter Rundschau
Die Humboldt-Uni sagt einen Vortrag der Biologin Vollbrecht ab. Die Medizinsoziologin Mahr spricht im Interview über die Hintergründe und rechte Strukturen.
Frau Dr. Mahr, in den sozialen Netzwerken herrscht Aufregung, weil die Humboldt-Uni einen Vortrag der Biologin Marie-Luise Vollbrecht abgesagt hat. Vollbrecht spricht bei Bild vom „Einknicken vor radikalen, gewaltbereiten Aktivisten“. Wen meint sie hier?Marie-Luise Vollbrecht bezieht sich mit dieser Aussage auf den Arbeitskreis kritischer Jurist:Innen (akj). Hierbei handelt es sich um eine couragierte Gruppe junger Student:innen der Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität. Diese jungen Menschen setzen sich nicht nur für eine Reform des Jurastudiums ein, sondern engagieren sich auch für die Inklusion und die Rechte marginalisierter sozialer Gruppen.
Was war der Anlass?Aufgerüttelt durch die bewusst ambivalente Titelwahl von Frau Vollbrechts populärwissenschaftlichem Vortrag hatte der akj zu einem Protest vor dem Hauptgebäude der Universität aufgerufen. Das Ziel dieses Protestes war es, den Vortrag der Biologiedoktorandin zu kontextualisieren, und zwar im Licht ihres teils aggressiven und persönlich übergriffigen Aktivismus gegen das geplante Selbstbestimmungsgesetz sowie die Selbstdeterminierung von Sexarbeiter:innen. Die Student:innen wollten zugleich darauf aufmerksam machen, dass Vollbrecht tief in reaktionäre und gruppenbezogen menschenfeindliche Netzwerke eingebunden ist, wie man sie bisher nur aus den Vereinigten Staaten kannte. Um diese Information zu teilen, hatte das akj Pressevertreter:innen zu einer Informationsveranstaltung eingeladen.
Von „gewaltbereiten Aktivisten“ kann keine Rede sein. Vielmehr geht es um Menschen mit Zivilcourage, die zurecht über neue Radikalisierungsformen in unserer Gesellschaft besorgt sind. Dazu zählen auch jene Formen der Menschenfeindlichkeit, die sich einerseits in den Nimbus einer scheinbaren Rationalität kleiden, andererseits aber auch Muster, Symbole und „dog-whistles“ (Codierte Sprache, K.T.) der rechtsextremen Meme-Kultur von Plattformen wie 4Chan oder 8Chan bedienen.
Mit „Geschlecht ist nicht (Ge)schlecht, Sex, Gender und warum es in der Biologie zwei Geschlechter gibt“ ist der Vortrag überschrieben. Mit welchen Argumenten will Vollbrecht ihre These belegen?Ich denke, es geht und ging in diesem Vortrag nicht um Argumente oder wissenschaftliche Thesen. Der Vortrag war und ist vielmehr Bestandteil einer regressiven Kommunikationsstrategie jener Akteur:innen, denen die (bis jetzt noch) bestehende Offenheit unserer Gesellschaft ein Dorn im Auge ist. Frau Vollbrecht, ihre Mitautor:innen des queer-feindlichen Gastbeitrags in der Springer-Zeitung Die Welt sowie deren „flying monkeys“ der sogenannten „Siff-Twitter-Bubble“ (Zusammenschluss aus Nutzern, die nur trollen und verbrannte Erde hinterlassen, K.T.) zielen darauf ab, trans* Menschen, Sexarbeiter:innen und Menschen mit Behinderung als „die anderen“, „die gefährlichen“, die „degenerierten“ zu labeln.
Können Sie das konkretisieren?Beispielsweise werden von solchen Accounts Menschen wie die Journalistin Georgine Kellermann und der Behindertenaktivist Raul Krauthausen als „pädophiler Mann im Kleid“ oder „funktionsloser Raumstaubsauger“ bezeichnet. Häufig bedrohen und provozieren diese Zirkel auch jüngere queere Menschen in den sozialen Netzwerken..