Von Ost nach West und umgekehrt
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Am 13. August 1961 begann der Bau der innerdeutschen Grenze. 28 Jahre lang sollte sie die Trennung von Westdeutschland und DDR sichtbar manifestieren. Wie sehr, stellen viele erst fest, als die Grenzen zwischen den beiden deutschen Ländern wieder offen sind. Ein Erfahrungsbericht.
Es ist ungefähr 20 Jahre her, da lernte ich Alexander Tauscher kennen. Damals arbeiten wir beide für verschiedene Radiosender. Alexander, so erfahre ich, hat durch einen Besuch beim damaligen RIAS in Berlin, bei dem er den Intendanten des Senders kennengelernt hat, "Blut geleckt". Im Frühjahr 1990 war das. Heute präsentiert er für viele deutsche Hörfunksender die Sendung "Radioreise". Mein Bezug zum Radio ist fünf Jahre älter: ein Praktikum bei Radio Luxemburg, dem damals bekanntesten kommerziellen deutschsprachigen Sender in Europa.
Dass wir noch etwas gemeinsam haben, erfahre ich erst vor wenigen Tagen: Es ist der gleiche Samstag im Jahr 1989, an dem wir uns auf die Reise ins jeweils andere Deutschland machen. Alexander in einem D-Zug vom damaligen Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz, nach Westberlin, ich im Toyota von Hannover nach Magdeburg. Alexander kennt die Bundesrepublik aus dem Westfernsehen und vom RIAS. "Wir lebten ja zwei Leben: Am Tag waren wir DDR-Bürger, am Abend liefen ARD, ZDF und Westradio aus München, Berlin und Hamburg." Ich kannte den Osten Deutschlands vor allem durch die Rockmusik und den DDR-Jugendsender DT64, der während der Wende in der DDR ständig bei mir lief.
Mit seiner ersten Westreise muss Alexander einige Wochen warten. Er ist damals 16 Jahre alt und geht auf die "EOS Friedrich Engels" in der Hohen Straße, der einzigen "Erweiterten Oberschule" in Chemnitz, auf der man vier Sprachen lernen konnte. 1992 wird sie zu einem Gymnasium umgewandelt. Dort galt – wie an Gymnasien in der gesamten DDR – die Sechs-Tage-Woche, die im Dezember 1989 abgeschafft wurde. So ging es dann für Alexander erst einige Wochen nach der Grenzöffnung nach West-Berlin, früh um sechs. "Der D-Zug, in dem wir fuhren, war so voll, dass nicht jeder einen Platz hatte. Einer machte die Reise sogar auf dem Klo. Immer, wenn einer musste, ging er so lange auf den Gang", erinnert sich Alexander.