Virus "Katar-Syndrom" raubt den letzten eigenen Willen
n-tv
Wirken die Metallgitter in Doha und die ewigen Ansagen der Volunteers bei dieser WM noch seltsam, so kehrt nach einer Woche Routine ein. Nicht alles ist perfekt organisiert, aber entwickelt einen eigenen Charme. Das Katar-Syndrom greift um sich. Ist der eigene Wille gebrochen?
"Al Salam Alaikom" verkündet die FIFA in ihren täglichen Abendbriefings. Ein kurzer Überblick über die Spiele des kommenden Tages, ein paar Statistiken und manchmal auch ein Hinweis an die Medien. Kontakt mit Spielern und Offiziellen von Japan und England nur mit Masken, heißt es da zum Beispiel. Corona ist in Doha sonst vorbei, hat es den Anschein. Die Gewöhnung an das alte Leben vor der Pandemie fällt überraschend leicht. Die Bilder der Fans ohne Masken sorgen in China derweil für riesige Proteste. Eine verrückte Welt.
Das Wochenende bringt die wohl wärmsten Tage der bisherigen WM. Die Hitze drückt alles auf den Boden, der feine Wüstenstaub ist auch in der Metropole Doha in den Lungen auf Dauer spürbar. Längst gebrochen von den riesengroßen Hier-geht's-lang-Schaumhänden, den Gitterschlangen und den Mantras der Hilfskräfte (die oft einen halben Tag in dieser Sonne an U-Bahnstationen, in Parks oder vor Gebäuden ausharren müssen) folgen die Besucher Dohas den Anweisungen. "Ausgang hier" und "Einstieg da".
Die teilweise durch automatisierte Megafone geplärrten und allerorts wiederholten Weghinweise sind längst zum Running Gag unter den Fans und Volunteers geworden. Er geht so: Die Zuschauerinnen und Zuschauer rufen laut "Metro?". Ein Haufen Hilfskräfte antwortet aus voller Kehle: "This way!". Alle lachen. Das Katar-Syndrom breitet sich aus. Alle sitzen im Boot des organisierten Chaos. Das längst kein frustrierendes Chaos mehr ist. Niemand kann sich wochenlang aufregen. Es ist eben so.