Virologe Martin Stürmer: „Ich plaudere nicht irgendeinen Mist“
Frankfurter Rundschau
Der Frankfurter Virologe Martin Stürmer ist seit Beginn der Corona-Pandemie ein gefragter Interviewpartner und deutschlandweit bekannt. Im Alltag wird er erkannt, im Netz oft beleidigt.
Martin Stürmer entschuldigt sich, dass sein Schreibtisch etwas chaotisch sei. Allein an diesem Tag werden im IMD-Labor, das er im Frankfurter Gutleutviertel leitet, 2500 PCR-Tests ausgewertet. Immer wieder läutet es an der Tür, Boten und Botinnen laufen an seinem Büro vorbei. Sein Handy klingelt: eine von vielen Interviewanfragen. „Was heißt bei Ihnen früh? 7.10 Uhr? Ich habe schon Härteres mitgemacht“, sagt er dem Anrufer. Stürmer trägt einen glitzernden Ohrstecker, der bei seinen Fernsehauftritten aber nicht wirklich auffällt.
Seit Pandemiebeginn ist der 53-Jährige quasi über Nacht bekannt geworden: Alles habe mit einem Interview für den Deutschlandfunk angefangen: „Das war im Januar 2020, als Corona noch weit weg in China war. Die hatten wohl meine Nummer von den letzten Pandemien wie der Schweinegrippe noch abgespeichert.“ Ab da geht es erst richtig los: „Ich bekam Anfragen vom ARD-Morgenmagazin, Heute-Journal, Markus Lanz und ich dachte: ‚Was passiert hier gerade mir dir?‘.“ Seitdem hat Stürmer Interviews im dreistelligen Bereich gegeben. Öfter auch aus dem heimischen Wohnzimmer, die Couch im Hintergrund.
„Seit Omikron habe ich eine Siebentagewoche. Meine Schlafenszeit beträgt, wenn ich morgens früh noch Interviews annehme, drei bis fünf Stunden.“ An diesem Tag gibt er drei Interviews. In Spitzenzeiten, als es noch weniger hektisch im Labor gewesen sei, seien es auch mal bis zu acht gewesen. Außerdem ist Stürmer Dozent für medizinische Virologie an der Goethe-Universität.
Die Müdigkeit sieht man in seinen Augen und doch ist er entspannt und freundlich. „Ich kann mit Stress und Druck relativ gut umgehen. Aber ich habe auch Phasen, wo ich gerne mal heulen würde.“ Es sei erst das zweite Interview – nach einer Homestory von RTL im vergangenen Jahr –, in dem es um ihn als Person gehe.
Wenn er von seinem Leben erzählt, redet er schneller als sonst, so dass man sich konzentrieren muss, um kein Detail zu verpassen: Geboren wird Stürmer am 9. September 1968 in Schleswig, Schleswig-Holstein. „Als kleiner Junge trennten sich meine Eltern zwischenzeitlich. Ich bin dann mit meiner Mutter und meinem drei Jahre jüngeren Bruder nach Berlin gezogen.“ Nach dreieinhalb Jahren Berlin versöhnen sich die Eltern, heiraten zum zweiten Mal. Doch das Familienglück hält nicht lange. „Als ich elf war, ist mein Vater, ein Starfighterpilot, 1979 tödlich verunglückt.“ Die Mutter, eine Bürofachangestellte, zieht die Söhne alleine groß. Nach dem Abitur ist Stürmer zwei Jahre bei der Bundeswehr. Anderthalb Jahre davon fährt er auf der Gorch Fock: „Kennt man ja, nicht immer rühmlich, die Schlagzeilen“, sagt er und lacht. Anschließend studiert er an der Freien Universität in Berlin.