Verweichlichen unsere Kinder, weil wir sie überbehüten?
Die Welt
Eltern wollen ihre Kinder gerne vor jedem Übel bewahren. Geht das – und was macht es aus den Kleinen? „Weicheier“, fürchtet eine „Stern“-Kolumnistin. Das stimmt nicht, meint unsere Autorin.
Am Tisch aßen die Erwachsenen, darunter untersuchte ein neun Monate altes Baby ihre Schuhe auf Straßendreck. Die Mutter des Babys war tiefenentspannt, auch dann noch, als ihr Kind die Stufen hinter dem Esstisch herauf und wieder herunter krabbelte. Das Kind gluckste fröhlich, die Mutter unterhielt sich gut, aber einige Dinnergäste schauten besorgt: Was, wenn sich das Kind den Kopf am Tisch stößt? Von der Treppe fällt? Sich Hundekot in den Mund schiebt? Nichts davon passierte.
Insgeheim bewunderte ich die Frau um ihren lässigen Umgang mit ihrem Kind. Viele Eltern hätten so ein kleines Baby wohl nicht allein durch den Raum krabbeln lassen – wenn sie es denn überhaupt zu einem Abendessen mitgebracht hätten. Bei Instagram sehe ich Eltern, die die Ecken ihrer Couchtische abkleben, damit sich die Kinder nicht stoßen. Im Bekanntenkreis verfolgt mindestens eine Mutter per Tracking-App auf dem Handy, wann und wo sich der schulpflichtige Nachwuchs hinbewegt. Und meine eigenen Eltern können nicht nachvollziehen, warum ich meine Tochter niemals allein in einem Hotelzimmer schlafen lassen würde, um noch ein Bier an der Bar zu trinken.