Verwaltungsratschef der Credit Suisse muss gehen
Süddeutsche Zeitung
Weil António Horta-Osório mehrmals Corona-Regeln verletzt hat, tritt er jetzt zurück. Für die Bank ist das der vorläufige Tiefpunkt.
Sind vor dem Virus alle gleich? Im Moment spricht zumindest viel dafür, dass es für die Eliten in der Pandemie schwieriger geworden ist, sich Privilegien herauszunehmen. Erst stolperte der britische Premier Boris Johnson über sein Partygate, dann scheiterte der serbische Tennisstar Novak Đoković mit seinem Versuch, als Ungeimpfter an den Australian Open teilzunehmen. Das jüngste Indiz in dieser Frage liefert nun die Schweiz, genauer: eine Mitteilung der Großbank Credit Suisse vom frühen Montagmorgen. Darin gibt ihr Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório, 57 Jahre alt und erst im April 2021 angetreten, seinen Rücktritt von der Spitze der Bank bekannt.
Wie in den vergangenen Wochen nach und nach herausgekommen war, hatte der gebürtige Portugiese, der auch den britischen Pass hat, zwei Mal die Corona-Quarantäne-Regeln verletzt - einmal in Großbritannien bereits im Sommer, dann in der Schweiz vor wenigen Monaten. Zuerst publik geworden war der Schweizer Fall: Ende November war Horta-Osório von Großbritannien in die Schweiz geflogen. Eigentlich hätte er zehn Tage in Quarantäne bleiben sollen, doch er verließ die Schweiz schon drei Tage später wieder. Als Medien das aufdeckten, entschuldigte sich der Präsident dafür, "unabsichtlich" die Regeln missachtet zu haben - allerdings hatten Journalisten ebenfalls herausgefunden, dass er sich zuvor erkundigt hatte, ob man ihm nicht eine Ausnahmegenehmigung erteilen könne (ohne Erfolg). Ende Dezember dann berichtete die Nachrichtenagentur Reuters über den zweiten Fall: Demnach hatte Horta-Osório schon im Juli bei einer Reise nach England zum Wimbledon-Endspiel Quarantäneregeln missachtet.
Der Verwaltungsrat der Credit Suisse setzte wegen beider Vorfälle eine Untersuchung in Gang. Das Ergebnis ist laut Mitteilung der Bank nun Horta-Osórios Rücktritt. "Ich bedauere, dass einige meiner persönlichen Handlungen zu Schwierigkeiten für die Bank geführt und meine Fähigkeit beeinträchtigt haben, diese nach innen und außen zu vertreten", ließ sich Horta-Osório in der Mitteilung zitieren. Er sei deshalb zu der Auffassung gelangt, dass sein Rücktritt zu diesem Zeitpunkt "im Interesse der Bank und ihrer Stakeholder" sei.
Für die Credit Suisse ist das der vorläufige Tiefpunkt einer heftigen Krise, die schon Jahre andauert. Seit 2019 reiht sich Skandal an Skandal, ein Konzernchef und nun schon zwei Präsidenten haben im Laufe der Affären die Bank verlassen. Begonnen hat die Misere mit der Beschattungsaffäre rund um den Spitzenbanker Iqbal Khan: Dieser hatte nach seiner Ankündigung, zur Konkurrentin UBS zu wechseln, festgestellt, dass er von seiner Noch-Arbeitgeberin Credit Suisse bespitzelt wurde. Später kam heraus, dass die Bank noch andere Mitarbeiter hatte beschatten lassen. Konzernchef Tidjane Thiam reichte wegen der Vorfälle Anfang 2020 seinen Rücktritt ein.
Im Frühling 2021, da führte schon Thiams Nachfolger Thomas Gottstein die Bank, ging es dann Schlag auf Schlag: Erst kam es zur Pleite von Greensill Capital, eines britisch-australischen Finanzkonglomerats, das sich auf Lieferketten-Finanzierung spezialisiert hatte. Die Credit Suisse hatte zusammen mit Greensill Lieferketten-Finanzierungs-Fonds mit einem Volumen von etwa zehn Milliarden Dollar betrieben. Die Pleite traf die Bank schwer. Kurz darauf kollabierte der US-Hedgefond Archegos Capital, dem die Credit Suisse enorme Summen geliehen hatte. Keine mit Archegos verbandelte Bank blieb auf so hohen Verlusten sitzen wie die Schweizer Nummer zwei: mehr als fünf Milliarden Dollar.