Umstrittenes Anne-Frank-Buch: Verlag entschuldigt sich
DW
Ein jüdischer Notar soll Anne Frank verraten haben, verkündete kürzlich ein Historikerteam. Nach heftiger Kritik an einem Buch dazu setzt ein niederländischer Verlag den Druck aus.
Fünf Jahre lang hatte das 30-köpfige Expertenteam recherchiert. Dann glaubte es herausgefunden zu haben, wer Anne Frank und ihre Familie im August 1944 an die Gestapo auslieferte. Die Ergebnisse des Untersuchungsteams waren Mitte Januar in niederländischen Medien zu lesen. Der jüdisch-niederländische Notar Arnold van den Bergh soll den deutschen Besatzern eine Liste mit Verstecken von Juden in Amsterdam übergeben haben, um das Leben seiner eigenen Familie zu retten. Darunter war auch die Adresse des Hinterhauses in der Prinsengracht in Amsterdam, in dem sich Anne Frank aufhielt.
Hauptbeweis sei die Kopie eines anonymen Briefes, den Annes Vater Otto Frank 1946 erhielt. Darin wurde der Name des Notars bereits genannt. Diese Spur sei zwar bekannt gewesen, so das Ermittlerteam, man sei ihr aber bisher noch nicht konsequent nachgegangen.
Der Notar Arnold van den Bergh war Mitglied des Jüdischen Rates, hatte daher viele Kontakte und war zunächst vor einer Deportation geschützt. Doch 1944 fiel dieser Schutz weg. Deshalb soll er in seiner Verzweiflung die Verstecke mehrerer jüdischer Familien verraten haben - in der Hoffnung, seine Frau, seine drei Töchter und sich selbst retten zu können.
Einen Tag nach Vorstellung der Recherche äußerten sich Historiker kritisch zu den Ergebnissen. Die Beweislage sei sehr dünn, sagte der Amsterdamer Professor für Holocaust- und Genozidstudien, Johannes Houwink ten Cate, der Tageszeitung "NRC Handelsblad".
Es gebe keinerlei Beweise, dass der Jüdische Rat im Zweiten Weltkrieg Listen mit Adressen von Verstecken von Juden aufgestellt habe, "davon habe ich in 35 Jahren Forschung noch nie etwas gesehen". Zu großen Anschuldigungen gehörten große Beweise, sagte Houwink ten Cate. "Und die gibt es nicht."