Umstrittenes Anne-Frank-Buch erscheint in Deutschland
DW
"Der Verrat an Anne Frank" soll auf Deutsch erscheinen. Der Verlag verspricht eine korrigierte und kommentierte Ausgabe. Ein Kritiker bezeichnet das Vorhaben als Geschichtsrevisionismus.
Der Verleger von HarperCollins Deutschland, Jürgen Welte, begründet die Entscheidung damit, man wolle es "allen interessierten Leserinnen und Lesern [...] ermöglichen, sich eine eigene, unabhängige Meinung zum Buch und zu der damit verbundenen medialen Diskussion zu bilden." Man arbeite zurzeit an einer "korrigierten, ergänzten und kommentierten deutschsprachigen Ausgabe", so Welte in einem schriftlichen Statement, das der DW vorliegt.
Ursprünglich war die Veröffentlichung des umstrittenen Buchs "Der Verrat an Anne Frank" von Rosemary Sullivan in Deutschland für den 18.03.2022 geplant gewesen. Ein neues Erscheinungsdatum hat der Verlag bisher nicht kommuniziert. Im schriftlichen Statement Weltes heißt es weiter, man werde sich zu verbleibenden Fragen "bis zum noch nicht feststehenden Erscheinungstermin des Buches nicht äußern."
Yves Kugelmann, Herausgeber des jüdischen Wochenmagazins "Tachles", bleibt skeptisch: "HarperCollins Deutschland erfindet ein neues Buch-Genre: die kommentierte Ausgabe eines Buches mit Hunderten von Fehlern", kritisierte er schriftlich auf Nachfrage durch die DW. "In einer anständigen Welt würde ein solches Buch nicht erscheinen, weil es inhaltlich falsch ist und bei der Leserschaft Gerüchte kolportiert. So macht sich der Verlag zum Komplizen von jenen Revisionisten, die Geschichte umdeuten, Thesen über Fakten und Wissenschaft hinten anstellen.“
Das Buch "Der Verrat an Anne Frank" ist in mehreren Sprachen bereits im Februar erschienen. Darin legt die Autorin Rosemary Sullivan die Ermittlungsarbeiten eines niederländisch-amerikanischen Teams um den ehemaligen FBI-Agenten Vince Pankoke dar.
Das Team hatte im Februar behauptet, herausgefunden zu haben, wer Anne Frank und ihre Familie im Zweiten Weltkrieg in Amsterdam an die Gestapo verraten hatte. Als Schuldiger wurde mit "85-prozentiger-Wahrscheinlichkeit" ein jüdischer Notar benannt. Die Unschuldsvermutung schien in diesem Fall nicht zu gelten. Das Buch, das der DW in seiner Ursprungsfassung vorlag, erinnerte an eine True-Crime-Geschichte, das Vorgehen der Ermittler erschien spekulativ und unseriös.