Ukrainer und Russen in Deutschland vereint
DW
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sind mehr als 300.000 Menschen nach Deutschland geflohen. Unterschlupf haben einige auch bei russischstämmigen Familien gefunden. Geht das ganz ohne Konflikte?
Jeden Freitagabend ist bei Familie Mayer die Welt für eine kurze Zeit wieder in Ordnung. Zwei Stunden lang heißt es keine neuen Nachrichten über den Krieg, keine Bilder von toten Zivilisten, keine traurigen Gedanken an die Heimat. Stattdessen Mr. Bean, gemeinsamer Fernsehabend, der britische Komiker ist zum festen und wichtigen Bestandteil der Wochenendplanung geworden.
"Wenn wir zusammen Mr. Bean sehen, sind wir alle total gelöst. Er sorgt für gute Stimmung bei uns und Polinas Lachen ist so ansteckend, dass wir alle gar nicht mehr aufhören können zu lachen", sagt Natascha Mayer.
Mayer ist im Kaukasus geboren und vor mehr als 20 Jahren nach Deutschland gekommen, sie lebt heute mit ihrem Ehemann und den beiden Kindern in der Umgebung von Bonn. Die zwölfjährige Polina ist seit dem 16. März ihr Gast, zusammen mit ihrer Mutter Anna und Großmutter Larissa sind sie aus einem Vorort von Kiew über Polen nach Deutschland geflohen.
Alle haben eigentlich einen anderen Namen, aber Natascha Mayer fürchtet Repressalien für ihre russischen Angehörigen in der Heimat. Ihre Geschichte wollen sie trotzdem erzählen, denn sie handelt von der Völkerverständigung Hunderte Kilometer entfernt, in Deutschland, am Küchen- und Esstisch. So, als ob sie beweisen wollten, dass Ukrainer und Russen sehr wohl friedlich zusammenleben können - jetzt und in der Zukunft.
Für Natascha Mayer war kurz nach Beginn des Krieges klar, dass sie helfen muss. Die Entscheidung, ukrainische Flüchtlinge aufzunehmen, ist für sie eine Art Protest und Möglichkeit, Mitgefühl für die Menschen in der Ukraine zu zeigen. "Belarussen, Ukrainer, Russen - wir haben in unseren Kulturen extrem viel gemeinsam. Ich frage mich, wo wir uns eigentlich unterscheiden. Und jetzt, seit diesem Krieg, sollen wir auf einmal Feinde sein? Wieso?"