
"Trotzdem gehen die Russen wie Lemminge in diesen Krieg"
n-tv
Die ukrainische Invasion in Kursk nährt in der russischen Bevölkerung Zweifel am Erfolg des Angriffskriegs. Die totalitäre Tradition Russlands helfe Präsident Putin allerdings dabei, Kritik im Keim zu ersticken und Kanonenfutter für die Front zu gewinnen, sagt Russland-Experte Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
ntv.de: Herr Meister, laut dem ehemaligen russischen Diplomat Boris Bondarew zweifeln kremlnahe Eliten nach dem Eindringen der ukrainischen Armee in Kursk stärker an Wladimir Putins Schlachtruf "Wir werden siegen". Wie kritisch sehen seine Gefolgsleute jetzt den Angriffskrieg?
Stefan Meister: Zunächst einmal glaube ich nicht, dass Putin selbst sich die Frage stellt, ob er einen Fehler gemacht hat. Aufgrund seiner imperialen Perspektive wird er auch nicht bereit sein zu Kompromissen. Ich denke, Putin fällt seiner eigenen Propaganda zum Opfer, wonach die Invasion in die Ukraine ein Krieg mit dem Westen ist. Die Logik des Krieges funktioniert auch in der Elite und Gesellschaft, da durch den Krieg eine enorme Umverteilung von Mitteln erfolgt, von der viele Menschen Vorteile haben. Da auch der Sicherheitsapparat enorm profitiert, glaube ich nicht, dass die Zweifel jetzt besonders stark sind, wenn ja, waren sie in Teilen der Elite schon vorher da. Das zeigt sich an der Begeisterung mancher Russen für Jewgeni Prigoschins Marsch auf Moskau im Juni vergangenen Jahres. Aber auch an den kritischen Stimmen der Militärblogger oder der Systemliberalen in Russland. Aber all das hat zu keiner Veränderung der Politik des Kremls geführt, sondern zu mehr Propaganda und verstärkter Repression.
