Tiktok in Deutschland und den USA auf dem Seziertisch
DW
Die chinesische Video-App versetzt Behörden und Politik in Alarmstimmung. Der Tiktok-Chef musste gar in den US-Kongress.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht erhebliche Risiken bei der Verwendung der Kurzvideo-App Tiktok. Dabei geht es sowohl um den Umfang gesammelter Daten als auch Möglichkeiten staatlicher Einflussnahme. Tiktok steht zunehmend unter politischem Druck, weil die Plattform zu dem aus China stammenden Bytedance-Konzern gehört. Der Dienst ist mit mehr als einer Milliarde Nutzer weltweit die einzige auch im Westen erfolgreiche Online-Plattform, die nicht aus den USA stammt. Der Verfassungsschutz verweist auf Unklarheiten rund um die Verbindungen zu China.
"Wenn Sie sich Umfang der Daten, der Metadaten, der Inhalte bei Tiktok anschauen auf der einen Seite, und wenn Sie sich dann auch anschauen, welche Einflussmöglichkeiten staatliche Stellen auf solche Unternehmen haben, dann kann das nur Bauchschmerzen auslösen. Und die habe ich", sagte der Vizepräsident des Inlandsgeheimdienstes, Sinan Selen, in Berlin. "Wir sind im Ausmaß dessen, worauf staatliche Stellen, gerade in China Zugriff nehmen können, nicht klar genug - ich glaube, das ist das Kernproblem bei der ganzen Sache", fügte er hinzu. Unternehmen wie Tiktok seien nicht im Stande, sich einer solchen Einflussnahme zu entziehen.
In der App kann man von einem kurzen Video zum nächsten scrollen. Ein entscheidender Faktor für den Erfolg ist der Algorithmus, der Clips für jeden Nutzer individuell auswählt und ständig an ihre Vorlieben anpasst. Dabei wird unter anderem berücksichtigt, ob man ein Video bis zum Schluss angeschaut oder sofort weitergeblättert hat. Am Ende hat die Software eine gute Vorstellung von den Interessen der Nutzer. Eine der Sorgen im Westen ist, dass dieser Datenschatz missbraucht werden könnte.
Für Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gibt es indes keine Grundlage für ein generelles Verbot der App in Deutschland, wie es in den USA im Gespräch ist. Allerdinge wies sie jüngst darauf hin, dass es sich bei Tiktok um eine Firma handele, bei der "die Daten natürlich abfließen können". Darüber müsse verstärkt aufgeklärt werden.
Tiktok-Chef Shou Zi Chew versuchte derweil im US-Kongress, Sorgen über chinesische Spionage und Einflussnahme zu zerstreuen. Er betonte, dass alle Daten amerikanischer Nutzer auf US-Servern lagerten und der Zugang dazu strikt überwacht werde. Zudem laufe der Empfehlungs-Algorithmus von Tiktok, der die Videos für Nutzer in Amerika auswählt, beim US-Softwareriesen Oracle, der auch die Software-Codes der App-Updates prüfe. Die aktuelle App sammele keine GPS-Ortungsdaten oder biometrische Informationen. Die bisher in Singapur gespeicherten US-Daten würden derzeit gelöscht, so Chew weiter.