
Teigtaschen in Hülle und Fülle
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Teigtaschen erfreuen sich weltweit großer Beliebtheit und das schon seit Jahrhunderten. Um Ursprung und Erfindung ranken sich lustige Legenden über erfrorene Ohren, einen göttlichen Bauchnabel bis hin zum Gottesbetrug. Wer nicht nur genießen, sondern auch selbst formen und füllen will, findet klassische und kreative Rezepte bei Joana Gimbutyte.
Teigtaschen - in diesem Wort versteckt sich ein ganzer Kosmos! Es gibt sie wohl überall auf der Welt: gekocht, gedämpft, gebraten, frittiert, gebacken; mit Fleisch, Fisch oder Gemüse, Käse oder Kräutern gefüllt; meistens pikant gewürzt, aber auch durchaus in Süß; als eigenständige Mahlzeit, als Beilage oder in der Suppe. Genauso vielfältig sind die Formen: rund, oval, länglich, drei- oder viereckig, als Halbmond, Tütchen oder Säckchen. Wir lieben sie als Maultaschen, Schlutzkrapfen oder Buchteln, Ravioli oder Tortellini, Dim Sum oder Gyoza, Empanadas oder Samosa, Pelmeni oder Chinkali, Wareniki oder Pierogi. Meine Aufzählungen könnte ich fast endlos fortsetzen.
So allgegenwärtig wie diese Taschen und Täschchen sind - die Ursprünge reichen weit zurück und da meist ins Reich der Legenden. So soll im 2. Jahrhundert ein Arzt in China die Teigtaschen erfunden haben, um Erfrierungen an den Ohren zu behandeln. Die gefüllten Teigtaschen wurden wie Ohren geformt und ... Nein, nicht auf die Ohren gelegt, sondern sehr heiß gegessen, um die durch die Erfrierungen verursachten Schmerzen zu lindern. Ich bin da skeptisch, womöglich kam zu den erfrorenen Ohren noch eine verbrannte Zunge hinzu. Belegt ist hingegen die Existenz von chinesischen Uralt-Teigtaschen: Archäologen fanden bei Ausgrabungen in Nordwestchina Reste davon, die über 1000 Jahre alt sind. Noch heute gilt Asien als der Kontinent der Teigtaschen und neben Formen wie Tütchen und Säckchen gibt es nach wie vor zahlreiche Öhrchen-Teigtaschen.
Völlig schmerzfrei, aber leicht frivol sind die Erzählungen über die Ursprünge der italienischen Teigtaschen: Ein Wirtshaus-Koch in Bologna lugte offenbar durch ein Schlüsselloch, als sich Venus dort mit Jupiter treffen wollte, und erspähte den göttlichen Bauchnabel; nur den Nabel! Und so sollen die Tortellini - klein, niedlich, rund und mit einem Löchlein in der Mitte - stets an den Bauchnabel der Göttin der Liebe erinnern. Jedoch beansprucht Modena ebenfalls die Erfindung der Bauchnabel-Teigtasche für sich; hier soll bei der Nabel-Sichtung jedoch kein göttliches, sondern "nur" ein fürstliches Geheimnis gelüftet worden sein, denn der neugierige Koch erspähte den Nabel von Lucrezia Borgia, uneheliche Tochter von Papst Alexander VI. Trotz der lustigen Nabelschau sind Tortellini nicht die ältesten italienischen Teigtaschen, das sind die Ravioli. Deren ältester dokumentierter Nachweis stammt aus dem 12./13. Jahrhundert in Savona.
