Tatjana Maria - ein Märchen in Wimbledon
DW
Bei ihrem Erfolg gegen Jule Niemeier im Viertelfinale von Wimbledon beweist Tatjana Maria einmal mehr unglaubliche Comeback-Qualitäten. Nun darf die zweifache Mutter sogar von ihrem ersten Grand-Slam-Titel träumen.
Am Ende des Matches konnte Tatjana Maria ihre Emotionen nicht mehr unterdrücken. Ein ungläubiges Kopfschütteln stand für den Mix aus Freude, Genugtuung und Erleichterung bei der 34-jährigen aus Bad Saulgau, die soeben ihren Matchball gegen ihre Landsfrau Jule Niemeier verwandelt hatte. Selbst nach spektakulären Punktgewinnen hatte sie sich bis dahin emotionale Ausbrüche weitestgehend verkniffen, wirkte fokussiert auf das große Ziel. Nach dem 4:6, 6:2 und 7:5 Erfolg brach es jedoch aus ihr heraus.
"Ich habe überall Gänsehaut", sagte sie nach dem Sieg. "Ich glaube, wir haben heute ganz Deutschland sehr stolz gemacht mit unserem Match." Erst zum fünften Mal in der Geschichte des Profi-Tennis standen zwei deutsche Spielerinnen im gleichen Jahr im Wimbledon-Viertelfinale, ein direktes Duell gab es in dieser Runde nur 2012 zwischen Angelique Kerber und Sabine Lisicki.
Nicht viele hatten Maria diesen Erfolg zugetraut. Die zweifache Mutter und älteste erstmalige Viertelfinalistin war schließlich bisher nie über die dritte Runde eines Grand-Slam-Turniers hinausgekommen - und auch dieser Erfolg liegt bereits sieben Jahre zurück. Auch Gegnerin Jule Niemeier hatte bereits vor dem Match gesagt: "Keine Ahnung, ob ich in zehn Jahren auch mit zwei Kindern hier sitze. Aber ich ziehe meinen Hut vor Tatjana, wie sie das meistert."
Abseits der WTA-Tour sind Maria und Niemeier Teamkolleginnen - beide spielen in der deutschen Tennis-Bundesliga beim aktuellen Tabellenführer TC Bredeney Essen. Gegeneinander gespielt haben sie aber nun in Wimbledon zum ersten Mal. Maria trifft im Halbfinale von Wimbledon nun entweder auf Marie Bouzkova aus Tschechien oder die an Nummer drei gesetzte Tunesierin Ons Jabeur. Die 34-jährige scheint aktuell auf ihrem Topniveau angekommen zu sein. Das ist umso erstaunlicher, nachdem ihre Karriere bisher alles andere als reibungslos verlief.
Als gerade einmal 20-jährige erlitt Maria 2008 beim Turnier in Indian Wells eine Lungenembolie, schwebte kurzzeitig sogar ins Lebensgefahr und musste monatelang pausieren. Nur ein Jahr später erlitt sie den nächsten Schicksalsschlag, als ihr Vater Heinrich an Krebs verstarb. Das Jahr 2012 erwies sich für Maria als entscheidender Wendepunkt ihrer Karriere - und ihres Privatlebens. Zur Vorbereitung auf die US Open schickte ihr damaliger Trainer sie zu einem Kollegen in die USA. Dieser Kollege war Charles Edouard, der inzwischen Marias Trainer, Ehemann und Vater der zwei gemeinsamen Töchter ist.