
Türkische Notenbank begeht Zins-Harakiri
n-tv
Die Finanzwelt ist überrascht: Trotz der Extreminflation senkt die türkische Nationalbank erneut den Leitzins. Die Lira stürzt sofort auf ein Rekordtief, doch der Schritt dürfte vor allem Präsident Erdogan gefallen, der sich selbst als Zinsfeind bezeichnet.
Trotz der aus dem Ruder laufenden Inflation hat die türkische Zentralbank ihren Leitzins überraschend erneut gesenkt. Der Schlüsselsatz wird um einen vollen Punkt von bislang 13 auf nunmehr 12 Prozent zurückgenommen, wie die Währungshüter mitteilten. Ökonomen hatten einen unveränderten Wert erwartet. "Es ist wichtig, dass die finanziellen Bedingungen unterstützend bleiben, um die Wachstumsdynamik in der Industrieproduktion und den positiven Trend bei der Beschäftigung aufrechtzuerhalten", begründeten die Währungshüter ihren unerwarteten Schritt. Die Konjunktur habe im laufenden Sommerquartal wegen der schwächeren Auslandsnachfrage weiter an Schwung verloren.
Die türkische Landeswährung reagierte sofort auf die überraschende Maßnahme: Die Lira rutschte auf ein Rekordtief von 18,42 Lira zum Dollar ab. "Bei einer Inflation von 80 Prozent ist eine Zinssenkung irrational", erklärte Analystin Alison Shimada von Allspring Global Investment die Flucht der Anleger aus der türkischen Landeswährung. Volkswirt Liam Peach von Capital Economics geht davon aus, dass der Kurs bis Jahresende auf 24 Lira pro Dollar abrutschen wird.
Die Inflation ist zuletzt immer weiter in die Höhe geschossen. Die Teuerungsrate erreichte im August mit 80,21 Prozent das höchste Niveau seit 1998. Der Gipfel dürfte nach Prognose der Zentralbank erst im Herbst erreicht werden, und zwar mit Teuerungsraten von nahezu 90 Prozent. Grund für die Entwicklung sind vor allem die Folgen des russischen Krieges gegen die Ukraine, durch den viele Rohstoffe deutlich teurer geworden sind.
