
"Staatsterror als nationale Tradition"
n-tv
Die Faszination für den Westen sei der Kern der russischen Identität, sagt die russische Kulturwissenschaftlerin Dina Khapaeva. Das ist nicht positiv gemeint: "Ohne die Ablehnung des Westens existiert die russische Identität nicht."
Khapaeva beschäftigt sich mit Putins Erinnerungspolitik, deren Ziel "die Wiederherstellung eines Imperiums, die Militarisierung der öffentlichen Meinung und die Propagierung von Staatsterror als große nationale Tradition" sei. "Weil Putin und seine Kumpane kein Projekt für die Zukunft haben, können sie nur zurückblicken und die Vergangenheit nachahmen", sagt sie.
Die Kulturwissenschaftlerin verweist auf einen russischen Roman aus dem Jahr 2006, der sich "perfekt in Putins Erinnerungspolitik" einfüge. Das Buch spielt in der Zukunft, es beschreibt, wie Russland Europa unterwirft. Darin beginnt der Aufbau des russischen Imperiums mit einem Krieg gegen die Ukraine. Russland wird in diesem Roman von einer Militärpolizei regiert und terrorisiert. Aus Khapaevas Sicht ist das heutige Russland auf dem Weg in ein solches System: "Was wir heute erleben, ist eine Nachfrage nach staatlichem Terror", sagt sie im Interview mit ntv.de. "Leider glaubt ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung, dass Staatsterror, wenn er passiert, zum Wohle Russlands ist."
ntv.de: Vor einigen Jahren haben Sie in einem Buch über die "Histories of Nations" geschrieben, das Leitmotiv der russischen Geschichte sei "eine ständige Faszination für den Westen, gepaart mit dem Drang, ihn zu übertreffen, um sich seinem Einfluss zu entziehen". Das klingt nach Hassliebe.
