Seifert mahnt die Politik
Frankfurter Rundschau
Der scheidende DFL-Boss Christian Seifert redet dem deutschen Profifußball ins Gewissen, die Prioritäten nicht in die falsche Richtung zu verschieben.
Angefangen hat Christian Seifert bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in aller Bescheidenheit. Da erinnert sich einer noch gut an seinen Einzug 2005 in einem Anbau beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) am Ende der Otto-Fleck-Schneise im Frankfurter Stadtwald. Ganze 24 Mitarbeiter hatte die DFL damals. Und: „Es gab einen Generalsekretär beim DFB, der sehr penibel drauf geachtet hat, dass das Logo der DFL nicht größer ist das des DFB-Reisebüros.“ Nicht nur seine Institution, längst nahe des Frankfurter Bankenviertels beheimatet, ist seitdem gewachsen, sondern auch das Renommee des Frontmannes, der auf der Sportbusinessmesse Spobis einen Ehrenpreis empfing, der ihm erkennbar schmeichelte. Seifert spürt, dass die Corona-Krise auf der Zielgeraden seines Wirkens – aus freien Stücken macht er bereits zum Jahresende Platz für die neue DFL-Geschäftsführerin Donata Hopfen – noch einmal den deutschen Profifußball vor eine Zerreißprobe stellen könnten, wenn etwa die Zulassung von Publikum im Herbst mit stark steigenden Infektionszahlen wieder auf den Prüfstand käme. Die DFL hat vorsorglich eine Studie präsentiert, demnach es unter den 900 000 Zuschauern an den ersten Spieltagen der ersten und zweiten Liga gerade mal sechs positive Corona-Fälle gegeben habe. Nur in 52 Fällen forderten die Gesundheitsämter weitere Datensätze etwa von Sitznachbarn an. Ergo: Das Risiko einer Ansteckung beim Stadionbesuch liege bei nahezu Null. Seifert: „Wenn jetzt immer noch kommuniziert wird, dass Fußball-Spiele potenzielle Superspreader-Events sind und es gefährlich ist, hinzugehen, dann ist es vorsätzlich falsch.“ Der Politik schrieb er ins Stammbuch: „Wir müssen aufpassen, dass aus dem ‚Team Vorsicht‘ nicht das ‚Team Weltfremd‘ wird.“ Der 52-Jährige ließ durchklingen, dass er sich weniger staatliche Eingriffe und mehr unternehmerische Freiheit wünschen würde. So hat er jedenfalls seine Rolle als Bundesliga-CEO begriffen: den Rahmen schaffen, der bestmögliche Bedingungen bietet, aber den Rest müssen die 36 Profiklubs dann alleine hinbekommen. Wobei Seifert feststellt, dass die Ziele inzwischen weit auseinanderdriften. Er warnt davor, aus seiner Sicht falsche Prioritäten zu setzen. Die Leute würden beim Fußball, das belegten alle Umfragen, nicht mehrheitlich nach „Gendersternchen, Choreographie oder Nachhaltigkeit“ verlangen, sondern nach „gutem Fußball, Spannung und Unterhaltung“.More Related News