Schröders neue Provokation
Süddeutsche Zeitung
Der Ex-Kanzler soll Aufsichtsrat beim Monopolkonzern Gazprom werden, der engstens verbunden ist mit dem Kreml. Für die SPD und den ohnehin in der Kritik stehenden Kanzler kommt die Nachricht zur Unzeit.
Übertriebene Sensibilität im Umgang mit seiner eigenen Partei hat Gerhard Schröder selten an den Tag gelegt. Ende 2005, da war Schröder gerade einmal 17 Tage kein Kanzler mehr, kam die Nachricht, dass er Chef des Aufsichtsrates der Öl-Pipeline-Firma Nord Stream AG werden würde. Teile der SPD waren entsetzt. "Ich hätte das nicht gemacht", sagte Peter Struck, der damals neue Fraktionsvorsitzende, damals - und das war einer der freundlicheren Kommentare.
Dieses Mal hat Schröder immerhin 58 Tage gewartet. So lange ist die SPD-Regierung unter Schröders Nachfolger Olaf Scholz im Amt. Und nun kommt die Nachricht, dass Schröder im Juli in den Aufsichtsrat von Gazprom einziehen soll. Gazprom, der größte und wichtigste russische Konzern überhaupt, engstens mit der politischen Führung verquickt, international um Expansion bemüht, was sich etwa daran zeigt, dass das Unternehmen seit 15 Jahren auch Hauptsponsor von Schalke 04 ist. Näher kann man dem Kreml kaum mehr kommen.
Wie lässt sich ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine verhindern? Wie die SPD nach den Äußerungen von Schröder ihre Haltung sucht. Von Daniel Brössler und Franziska von Malsen
Schröder hatte zuletzt zur großen Freude Moskaus die Forderungen der Ukraine nach Waffenlieferungen als "Säbelrasseln" kritisiert. Zudem gab er der Nato eine Mitschuld am russischen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze. Beides Äußerungen, die geeignet waren, international Sorgen um die außenpolitische Verlässlichkeit der Regierung in Berlin auszulösen. Damit im ZDF-Interview konfrontiert, sah Scholz sich zur Klarstellung genötigt: "Wenn ich die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland richtig verstehe, gibt es nur einen Bundeskanzler, und das bin ich", sagte er. Ein Satz, der fast nach Schröder klang, als der noch das Land führte.
Und genau wie damals, als die SPD nach sieben Jahren Rot-Grün den Machtverlust verkraften und sich in eine große Koalition unter Angela Merkel zwängen musste, sind es auch diesmal keine einfachen Zeiten für die Sozialdemokraten. Der Anfangselan der Ampelregierung scheint verschwunden, von allen Seiten kommt Kritik. Die SPD und ihr Kanzler, das sagen die Kritiker, würden keine gute Figur machen in der Ukraine-Krise und im Umgang mit Russland. Das kann man nicht nur in Berlin hören; auch die deutsche Botschafterin in Washington war jüngst mahnend zu vernehmen. Und doch liefert Scholz weiterhin vor allem Sätze, in denen er - für ihn typisch - wenig konkret wird. Sätze wie: "Alles-was-nötig-ist-wird-getan-werden."