
Schlanke Zungen, beredtes Schweigen
Frankfurter Rundschau
Wer den kolonialen Blick noch nicht drauf hatte, hier bekommt er ihn beigebracht. Aber natürlich muss man sich die ethnologischen Sammlungen im Humboldt-Forum ansehen
Natürlich muss man rein. Es gibt so viel Großartiges zu sehen. Soeben wurden die Schätze der ethnologischen Sammlungen Berlins und die Ostasiatischer Kunst fürs Publikum geöffnet. Eine Stunde vor dem gebuchten Zeitfenster bekam ich am Schalter ohne Probleme sofort eine Eintrittskarte. Noch ist sie kostenlos. Oben musste ich einen Moment warten. Und drinnen noch mal für den Blick auf das „Prachtboot“, jenes Segelboot, über dessen Erwerb die Stiftung Preußischer Kulturbesitz einen ihrer zahllosen Mäntel des Schweigens legen möchte. In der Ausstellung zum Beispiel heißt es nur: „1903 erwarb es die Handelsfirma Hernsheim“. Man ist also weiter auf die Lektüre von Götz Alys Buch „Das Prachtboot. Wie Deutsche die Kunstschätze der Südsee raubten“ (S. Fischer Verlag, FR v. 21. Juli) angewiesen.
Nein, nein! Erst preisen, dann meckern!
Die Sachen, die gezeigt werden, sind großartig. Man ist hingerissen von Holzfiguren aus dem Kongo, von einem überlebensgroßen Fürsten aus Kamerun, der eingefasst ist in Kauri-Muscheln, eine Weltwährung, von der schon Marco Polo im 13. Jahrhundert aus China berichtete und die von Afrika bis Ozeanien bis ins 19. Jahrhundert hinein als Zahlungsmittel akzeptiert wurde. Ebenso sehr, aber ganz anders faszinierend ist gleich daneben die vielleicht zwanzig Zentimeter hohe Figur. Ein womöglich gedrechseltes Holzstück in der Mitte. Es steht auf einem Fuß. Oben ein Januskopf. Aus dem Mund des einen eine schlanke Zunge, die noch einmal so groß ist wie die ganze Figur. Leo Frobenius hat sie den Berlinern verkauft.













