Russland marschiert in die Ukraine ein: Der gewollte Krieg des Wladimir Putin
Frankfurter Rundschau
Wladimir Putin zündelt und schreit zugleich „Feuer!“. Kompromisse sind mit ihm derzeit nicht möglich. Ein Kommentar.
Moskau – In die staatlich gelenkte russische Geschichtsschreibung wird Wladimir Putin als ein Politiker eingehen, der die Größe und Stärker Russlands wiederhergestellt hat; die Geschichtsbücher der Welt werden von Putin als Aggressor berichten, an ihn als einen Präsidenten erinnern, dessen Regierung Giftmörder gegen Kritiker einsetzt und mit orchestrierten Provokationen Nachbarstaaten drangsaliert.
Der gekränkte Geheimdienstler, der 2005 den Zerfall der Sowjetunion als größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts bezeichnet hatte, war nie fähig anzuerkennen, dass der Zerfall des Systems nur folgerichtig war. Kein politisches System kann auf Dauer bestehen, wenn es nicht eine eigene, innere Motivation zum Zusammenhalten hat.
Die Sowjetunion war immer ein erzwungener Zusammenschluss von Staaten und Völkern. Und die inneren Risse waren spätestens mit der sowjetischen Nationalitätenpolitik Lenins und eines gewissen Kommissars namens Josef Stalin angelegt worden, wahrscheinlicher aber schon im zaristischen Imperium da gewesen. Das zaristische Russland, die Sowjetunion und das heutige Russland haben das imperiale System und Denken nie überwunden. Entsprechend unfähig ist die russische Staatsspitze auch heute einen Staat zu denken, dessen Fundamente nicht Angst, Repression und Unterdrückung sind, sondern Selbstbestimmung, Demokratie und innerer Zusammenhalt.
In einer bemerkenswerten Rede dozierte Putin Montagabend vor dem russischen TV-Publikum über die Entstehung der Ukraine. Sie war, nach seiner Lesart, ein Konstruktionsfehler Lenins, entstanden in den Wirren des nachrevolutionären Bürgerkrieges in der jungen Sowjetunion. Noch viel bedeutender ist aber eine andere Aussage Putins, wonach der Zerfall der Sowjetunion in den falschen strategische Entscheidungen der kommunistischen Elite 1989 angelegt war.
So redet ein Autokrat, so spricht jemand, der bürgerliche Rechte, demokratische Teilhabe und Legitimation der politischen Macht von Unten nicht kennt und sich einen Staat auf dieser Basis schlichtweg nicht vorstellen kann. Und so wiederholt Putin einmal mehr seine feste Überzeugung, dass die Maidan-Revolution in der Ukraine 2014 von radikalen Kräfte unter Mithilfe der USA erfolgte. Das ukrainische Volk selbst sieht er nur als eine gelenkte Masse, die blind folgte.