Rost bei den Eisernen
Frankfurter Rundschau
Auch Grischa Prömel verlässt Union Berlin, es ist der Abgang des nächsten Leistungsträgers innerhalb kürzester Zeit. Es ist eine echte Belastungsprobe für die Eisernen. Ein Kommentar.
Es gibt Bilder vom 22. Juni 2014, da schauen Julian Nagelsmann und Grischa Prömel sehr glücklich - und fast noch kindlich. 14 000 Zuschauer sahen damals in Hannover in einem Endspiel um die Deutsche Meisterschaft eine Lehrstunde: Taktisch und technisch mindestens eine Klasse bessere A-Junioren der TSG Hoffenheim siegten mit 5:0 beim 96-Nachwuchs und sicherten den größten Erfolg für die Nachwuchsakademie aus dem Kraichgau.
Der Trainer Nagelsmann bereitete damit seinen Einstieg in die Bundesliga vor, wurde im Februar 2016 zu den Profis befördert – und ist Hoffenheim heute längst entwachsen. Der Spieler Prömel aber, von Nagelsmann als „Anti-Fußballer“ geneckt, hat ein bisschen länger gebraucht, um sich durchzusetzen. Sein Weg führte erst zum Karlsruher SC, dann zum damaligen Zweitligisten Union Berlin, den er nun im Sommer wieder verlässt, um in die Provinz zurückzukehren.
Die TSG Hoffenheim bastelt mit zahlreichen Vertragsverlängerungen und zukunftsweisenden Verpflichtungen gerade daran, einen dauerhaft international konkurrenzfähigen Kader zu schmieden. Manager Alexander Rosen ist zur ablösefreien Verpflichtung Prömels, eines 27-jährigen Mittelfeldspielers in seiner Blüte, daher zu beglückwünschen.
Gleichzeitig ist aber auch Union Berlin zu bedauern. Denn nach Robert Andrich (Bayer Leverkusen), Marvin Friedrich (Borussia Mönchengladbach) und Max Kruse (VfL Wolfsburg) verlieren die Köpenicker ihren vierten Leistungsträger binnen einen Jahres. Und so stabil kann das eiserne Gebilde gar nicht sein, dass der Verlust von solchen Stützen nicht zu Wacklern führen würde. Mit dem Weggang des schwergewichtigen Alleskönners Kruse ist Union seiner wichtigsten Offensivwaffe beraubt worden. Und auf einmal hat das Team von Trainer Urs Fischer in drei Spielen kein Tor mehr geschossen und keinen Punkt geholt. Der Abwärtstrend ist alarmierend.
Noch ist Union kein etablierter Nischenverein wie der SC Freiburg, der sich seit Jahrzehnten darauf einstellt, dass ihm die besten Kräfte weggekauft werden. Vermutlich wird für Manager Oliver Ruhnert die kommende Transferperiode die schwierigste seiner Amtszeit: Die schlechter gestellte Konkurrenz kennt die nicht geringen Möglichkeiten seines Klubs, die besser betuchte Konkurrenz schätzt die Qualitäten seines Kaders.