Reformer im Libanon vor schwieriger Aufgabe
DW
Im Libanon haben die Reformkräfte einen Achtungserfolg errungen: Sie schicken 13 Abgeordnete ins Parlament, während ein Hisbollah-Verbündeter Verluste einfuhr. Eine Chance, das Land aus der Krise zu führen?
Für sie ist es ein Triumph: Vertreter der oppositionellen Protestbewegung haben bei der Parlamentswahl im Libanon 13 Sitze gewonnen. Diese rangen sie insbesondere dem von der Schiiten-Miliz Hisbollah geführten Block ab, der nur noch 62 Abgeordnete ins Parlament schickt. Bei den Wahlen im Jahr 2018 hatte er noch 71 der insgesamt 128 Sitze errungen.
Allerdings konnte die eng mit dem Iran verbundene Hisbollah selbst ihre Plätze halten. Die Verluste gingen auf Kosten ihrer Partner, insbesondere der christlichen, von Präsident Michel Aoun geführten Freien Patriotischen Bewegung.
In der Summe bedeutet dies aber, dass der Block um die Hisbollah seine Parlamentsmehrheit verloren hat. Er sieht sich nun verstärkt dem Druck anderer großer Parteien gegenüber, so etwa der christlichen Forces Libanaises (FL) unter Samir Geagea. Unmittelbar nach der Wahl versuchten sich die FL bereits mit teils schrillen Parolen als wichtigste Reformkraft zu präsentieren. Dabei sind sie bereits seit langem Teil des libanesischen Machtkampfes - im Parlament und ehedem auch als Bürgerkriegsmiliz - und gelten vielen Libanesen als Teil des Establishments. Vor allem gehören sie nicht zum Lager der jüngeren Reformer.
Die jungen Reformkräfte hatten sich im Herbst 2019 vor dem Hintergrund einer tiefgreifenden nationalen Krise gebildet, gekennzeichnet durch politische Stagnation, Korruption und einen massiven wirtschaftlichen Niedergang. Dieser spiegelt sich etwa im Sturz des libanesischen Pfundes, das rund 90 Prozent seines Wertes verlor. Die Krise verschärfte sich noch einmal durch die Explosion eines Getreidespeichers im Hafen von Beirut im August 2020 mit über 200 Toten - in den Augen vieler Libanesen ein Symbol für die Unfähigkeit der etablierten politischen Klasse. Nach Angaben der Vereinten Nationen leben inzwischen drei Viertel der libanesischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Gegen diese Missstände wollen die 13 ins Parlament gewählten Reformkräfte nun angehen. So hatten sie es vor der Wahl versprochen.
"Schauen Sie, was sie uns angetan haben: kein Strom, kein Wasser, sie haben uns unser Geld weggenommen, sie haben uns unter dem Müll begraben", sagt die Chemikerin Najat Saliba, frisch gewählte Abgeordnete der neu gegründeten Reformer-Partei "Taqqadum" ("Fortschritt"), im Gespräch mit der DW. Die etablierte Politiker sind in ihren Augen Versager: "Wenn sie 60 Jahre lang nichts erreicht haben, werden sie auch jetzt nichts erreichen!" Zugleich verspricht sie: "Wir Reformer werden im Parlament als Opposition auftreten - und wir werden gegen alle korrupten Projekte der Vertreter der alten Parteien ein Veto einlegen."