Rangnick kämpft um Anerkennung
Süddeutsche Zeitung
Seit seinem Antritt in Manchester wird Ralf Rangnick in England sehr kritisch gesehen, einige Experten beklagen gar eine "Germanisierung" der Premier League. Nun könnte ihm gegen West Ham ein Befreiungsschlag geglückt sein.
Am Siegtor für Manchester United durch Marcus Rashford in der dritten Minute der Nachspielzeit konnte selbst Gary Neville nichts mehr aussetzen. Uniteds früherer Kapitän und derzeitiger Dauernörgler verzierte den Treffer auf Twitter mit einem roten Herz, nachdem er vor Spielbeginn genau einen solchen Treffer eingefordert hatte. Mit einem Jubelfoto erinnerte Neville an das nach Ablauf der regulären Spielzeit erzielte Kopfballtor seines Mitspielers Rio Ferdinand vor 16 Jahren, das einen prestigeträchtigen Ligaerfolg gegen den Erzrivalen FC Liverpool bedeutete. Zwar vermisse er "das Spielen" nicht, schrieb Neville, aber eben "dieses Zeug", die Triumphe in allerletzter Sekunde.
Derartige Siege sind zum Markenkern des Rekordmeisters geworden, stets verbunden mit der Trainerlegende Alex Ferguson, von dessen Amtszeit es in Manchester heißt, die Spieldauer sei immer so lange verlängert worden, bis sein Team vorne lag. In dieser sogenannten "Fergie time", der Nachspielzeit, gelangen dem Klub stilbildende Tore - und am Samstag sogar eines, das den deutschen Trainer Ralf Rangnick quasi wie Ferguson aussehen ließ.
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Rangnicks Verdienst war, dass er in der Schlussviertelstunde mit seinen Eingriffen ins Spiel die Offensive stärkte. Für ihn zählte nur der Sieg im Premier-League-Verfolgerduell mit West Ham United, es ging darum, den vierten Champions-League-Platz zu erobern. Allerdings verpuffte ein Angriff nach dem anderen. Erst als die Partie torlos auszugehen drohte, traf der eingewechselte Rashford (auf Vorlage des eingewechselten Edinson Cavani, der wiederum vom eingewechselten Anthony Martial bedient wurde) zum erlösenden 1:0. Es war die letzte Aktion des Spiels: "at the death", wie es in England heißt. Die Spielzeit betrug 92:34 Minuten, danach wurde abgepfiffen. Sehr viel mehr Ferguson konnte Rangnick also nicht sein. Dies sei "die beste Art" zu gewinnen, frohlockte Rangnick, ein "verdienter" Sieg und ein "emotionaler" Moment, er könne sich nur bei der "Red Army" für ihre "beeindruckende" Unterstützung bedanken.
Nach dem zweiten Ligaerfolg in Serie und nur einer Niederlage in zehn Pflichtspielen unter Rangnick ist United erstmals seit mehr als drei Monaten wieder auf den vierten Platz zurückgekehrt. Während die Fans für diese Bilanz vorwiegend ihren Trainer verantwortlich machen, fehlt Rangnick im Mutterland des Fußballs jedoch erkennbar die Akzeptanz. Seit seiner Ankunft in Manchester versucht die Inselpresse seine Autorität mit negativen Schlagzeilen zu untergraben. Selbst den richtungsweisenden Erfolg über West Ham werteten die Medien ab.