Putins „Frankensteining“
Die Welt
Versatzstücke westlicher Demokratien aus dem Zusammenhang reißen – und damit eigene Untaten rechtfertigen. Diese Disziplin hat Russland zur Meisterschaft entwickelt. So funktioniert die Argumentations-Akrobatik des Kremls.
Man nehme Versatzstücke westlicher Demokratien, reiße sie aus dem Zusammenhang und benutze sie als Feigenblatt für eigenes Unrecht. Als „Frankensteining“ bezeichnen Politologen ein solches Vorgehen. Polen tut dies bei seiner Argumentation zur Verteidigung der eigenen Justizreform. Ein Meister dieser Disziplin ist Wladimir Putin. Immer wieder greift der Kreml Beispiele für Gesetze, juristische und politische Vorstöße aus dem Westen auf, um sie in Russland anzupassen, in Wahrheit aber für eigene Zwecke zu missbrauchen. Wie das „Agentengesetz“, das Putin in seiner Pressekonferenz am Donnerstag erneut verteidigte, oder juristische Versuche des Kremls, gegen eine angebliche „Falsifizierung von Geschichte“ vorzugehen. WELT hat solche Fälle gesammelt.
Mit dem Gesetz über „ausländische Agenten“ gibt Russland vor, bloß dem amerikanischen Beispiel zu folgen. Das stellte Putin am Donnerstag erneut heraus. Das russische Gesetz sei sogar liberaler als das amerikanische – eine grobe Fehldarstellung der Sachlage. In den USA gilt seit 1938 das Foreign Agents Registration Act. Das Gesetz verpflichtet Lobbyisten, die im Auftrag ausländischer Regierungen oder Institutionen agieren und die amerikanische Politik beeinflussen wollen, sich anzumelden und ihre Ein- und Ausgaben transparent zu machen. Lobbyarbeit für ausländische Akteure muss ihnen erst nachgewiesen werden.