Pestizidatlas: Mehr Absatz und Vergiftungen durch Pestizide
DW
Weltweit werden immer mehr Pestizide gespritzt mit verheerenden Folgen für Mensch und Natur. Der Druck für eine Agrarwende wächst. Der Pestizidatlas zeigt Fakten und Trends.
"Wir machen den Atlas, um auf das ganz große Thema Pestizide aufmerksam zu machen. Das Thema begegnet einem überall, wenn man sich mit Landwirtschaft, Gesundheit, Artenverlust und Gewässerbelastung beschäftigt. Es ist ein großes Querschnittsthema", sagt die Agraringenieurin Susan Haffmans vom Pestizid Aktions-Netzwerk, die federführend an der Entwicklung des Pestizidatlas mitgewirkt hat. Zusammen mit der grünnahen Heinrich-Böll-Stiftung, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und der internationalen Monatszeitung "LE MONDE diplomatique" wurde er in Berlin vorgestellt und veröffentlicht.
Auf 50 Seiten skizzieren Experten das Milliardengeschäft mit Pestiziden, die Folgen und Konsequenzen. "Der Atlas gibt Daten, Informationen und fokussiert bestimmte Bereiche. Was sind das eigentlich für Stoffe? Wo gibt es Probleme? Was bewirken Pestizide beim Kleinbauern im globalen Süden? Wie gefährdet sind Menschen in unterschiedlichen Erdteilen? Pestizide begegnen uns überall, selbst wenn wir nicht am Ackerrand wohnen", so Haffmans.
Laut einer aktuellen wissenschaftlichen Studie, die in der Fachzeitschrift Public Health veröffentlicht wurde, erkranken jährlich 385 Millionen Menschen in der Landwirtschaft an akuten Pestizidvergiftungen. Die Landarbeiter und Bauern fühlen sich nach Vergiftungen schlapp, haben Kopfschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Hautausschläge, Störungen im Nervensystem oder werden ohnmächtig. Bei schweren Verläufen versagen Herz, Lunge oder Nieren. Etwa 11.000 Menschen in der Landwirtschaft sterben pro Jahr an den akuten Vergiftungen. Suizide mit Pestiziden wurden in der Studie nicht mitgezählt.
Besonders stark von Pestizidvergiftungen betroffen sind Landarbeiter und Kleinbauern im globalen Süden. In Asien gibt es demnach rund 256 Millionen akute Pestizidvergiftungen, in Afrika 116 Millionen und in Lateinamerika rund 12,3 Millionen. In Europa erleiden deutlich weniger Menschen in der Landwirtschaft akute Pestizidvergiftungen (1,6 Millionen in West- und Südeuropa).
"Wir sehen das 44 Prozent aller Arbeiterinnen und Bäuerinnen weltweit mindestens eine Vergiftung pro Jahr erleiden. Und in bestimmten Ländern sind es sehr viel mehr. In Burkina Faso als Beispiel werden 83 Prozent der Landarbeiter zumindest einmal durch Pestizide krank", sagt Haffmans. "Und das sind nur die akuten Vergiftungen. Das Ausmaß dieser akuten Vergiftungen sind auch ein Indiz für chronische Dauerbelastung, die dann wiederum noch mit ganz anderen chronischen Erkrankungen in Verbindung gebracht wird."