
"Nur der berühmte weiße Mann spricht offenbar nie für sich selbst"
n-tv
Darf man heute noch "Indianer" sagen? Alle Jahre wieder wird über angebliche Sprechverbote diskutiert - und dabei vergessen, dass wenig neu ist an solchen Debatten. Der im kalifornischen Stanford lehrende Literaturwissenschaftler Adrian Daub hat über dieses Phänomen ein Buch geschrieben. "Am Anfang stand der Vorwurf des Kommunismus", sagt er. Heute warnt selbst Putin vor der Cancel Culture. "Auch bei ihm hat es die Funktion, vom eigentlichen Thema abzulenken: einen Kulturkampf auszurufen, wenn der Krieg nicht so gut läuft", so Daub im Interview mit ntv.de.
Daub selbst erlebte erst kürzlich, wie ernst es die Cancel-Culture-Kämpfer mit der Meinungsfreiheit meinen: An einer Konferenz zu diesem Thema in Stanford durfte er nicht teilnehmen.
ntv.de: Lassen Sie uns mit der Frage anfangen, die im Kern der Debatte um die "Cancel Culture" steht: Was darf man heute eigentlich noch sagen?
Adrian Daub: Das ist natürlich schwer zu beantworten. Gewiss hat sich wie wir reden und worüber wir reden, und welche Reaktion wir damit provozieren, in den vergangenen dreißig Jahren verändert, aber das ist ganz normal. Die Gesellschaft macht immer wieder Entwicklungen durch, bei denen sich ändert, was im öffentlichen Raum sagbar ist und toleriert wird. Mein Verdacht ist, dass der Auslöser der Cancel-Culture-Debatte ein ziemlich normaler Prozess ist. Wir haben früher gewisse Worte benutzt und irgendwann haben wir aufgehört, sie zu benutzen.
